Ich denke, also bin ich
von Simon Salzl aka TwinYawgmoth
Teil 5 - Trang Ouls Triumph
Kapitel 01
Ein Bild entsteht.
Grün und Braun sind die vorherrschenden Farben darin. Sie sind verschlungen in vielen Schichten, verbunden miteinander untrennbar und verwirrend für das Auge. Es ist ein heilloses Chaos, von oben bis unten, vorne und hinten, in alle Richtungen undurchdringlich, ununterscheidbar, übermächtig. Ein Dschungel; knorrige Bäume, fette Ranken, Wurzeln, Moos, Büsche. Ein Sumpf; tückische Löcher, klebriger Matsch, schwere Feuchte über allem. Seltsame Geräusche, vermutlich noch seltsamere Gerüche, eine Aura des Unbekannten, der Urtümlichen, des Unheimlichen durchdringt diesen Ort.
Ich liebe ihn.
Das erste Mal seit Monaten, verdammt, seit ich existiere, reisen wir durch ein Gebiet, das nicht verseucht ist von Dämonen. Ja, es gibt hier Mücken, ja, es ist nass und kalt und ekelhaft, und der Meister flucht beständig aufgrund dieser Tatsachen, aber ich tue mir irgendwie schwer, groß Mitleid zu sammeln. Es war seine Idee, hierher zu kommen. Und mir geht es, so überraschend das auch für mich selbst war, großartig. Er hat mich erschaffen aus dem Schlamm, der hier allgegenwärtig ist; ich muss aussehen wie ein Monster, von der gleichen grünbraunen Farbe wie alles hier, mit Zweigen und Blättern und verfaultem Moos, das in mir steckt, weil es mir egal ist. Vielleicht lebt sogar eine Familie von kleinen Maden in meiner Brust. Auch das ist mir egal. Hier gibt es genau zwei Menschen, und von denen weiß einer nicht, dass ich hier bin. Ich fließe geschmeidig um den Stamm eines antiken Baumes, der sich gefährlich zur Seite neigt, springe über eine Wurzel, fange meinen Fall mit einer Schlingpflanze ab, die ich gleich abreiße, um eine Vertiefung hinunterzuschwingen. Lautlos lande ich mit den Füßen links und rechts von einer Pfütze, erklimme einen weiteren verdrehten Stamm voller Astlöcher, Zeichen alter Wunden, welche diese Pflanze nicht erschüttern konnten, und verharre in der Krone, perfekt getarnt durch das Farbenchaos, dessen Teil ich bin. Bei Lichte betrachtet ist es natürlich mehr als nur ein Grün, ein Braun; die Anzahl an Schattierungen ist unzählbar, von gedecktem Siena der tonigeren Abschnitte zu dem strahlenden Ocker mancher ausgedörrter Lianen, vom Tannengrün der vom letzten Regen triefenden feuchten Blätter um mich herum bis zu dem frischen Grasgrün der neuen Triebe des hoffnungsvollen Busches im Schatten des Titanen. Die Steppen von Kehjistan, die Wüste von Aranoch, Mephistos Perversion der Vegetation um Kurast, die staubtrockenen Ebenen der Hölle und schließlich der Flammenfluss, ekelhafte, leere, tote Gegenden. Hier? Das pure Leben durchzieht diesen Ort, formt ihn, bestimmt ihn. Kein Mensch hat beschlossen, hier formend einzugreifen, kein Dämon sein Mal hinterlassen. Die Natur darf sein, wie sie sein will, und sie strotzt vor Energie.
Natürlich ist auch der Tod überall. Fäulnis herrscht genauso wie neue Blüte. All dieser Schlamm war einst lebendige Vegetation, nun Nährboden für weit spätere Generationen. Kein Alter schützt einen Baum davor, dass ein starker Regenfall ihn umwirft, sodass er zur Heimat für eine unüberschaubare Anzahl an Insekten, Vögeln, Nagern wird ... die Zeichen sind überall. Aber so ist es auch richtig. So ist es wichtig. Kein Leben ohne Tod, kein Tod ohne Leben; gibt es einen Ort, der die Philosophie der Totenbeschwörung so gut verkörpert?
Du kennst dich ja gut aus. Bist du im Aufpassen auch so gut wie im Träumen?
Nach nur einem Monat der Ruhe, wo der Zweite sich irgendwie daran gewöhnen musste, nicht mehr ständig kämpfen zu können, und so fast zahm geworden ist, hört sich seine Stimme für mich nicht einmal mehr besonders bedrohlich an. Er ist nicht mehr der blutrünstige Psychopath, der er einmal war; ich weiß nicht, ob ich meinen guten Einfluss dafür verantwortlich machen soll ... so oder so lässt er es sich natürlich trotzdem nicht nehmen, ständig gegen mich zu sticheln. Es kommt mir mehr und mehr so vor, als würde er das nur machen, weil er es als seine Pflicht sieht, mich zu einem besseren Golem zu erziehen. Als wäre er mein großer Bruder! Die sollen einem ja teilweise auch ganz schön auf die Nerven gehen können, sagt man sich. Aber er soll seinen Willen haben, ich konzentriere mich mehr auf meine Aufgabe, wobei ich nicht weiß, was groß passieren soll.
Und im Zweifelsfall kannst du ja einfach warnen, wenn etwas passiert. Du bist eh besser darin.
Und deswegen musst du es lernen.
Definitiv Erziehung. Also, was geht unter mir vor sich?
Der Mensch, der Zentrum meines Lebens ist, allein schon weil meines untrennbar an seines gebunden ist, hat ein wenig Mühe, voranzukommen. Ein möglicher Grund dafür ist, dass er darauf bestanden hat, seine Ausrüstung nicht zurückzulassen; vielleicht kein allzu dummer Gedanke, wo er doch nicht wissen konnte, was ihn erwartet, und nicht wusste, wem er sie denn hätte anvertrauen können, aber leichter bekleidet wäre es sicher einfacher. Seine Lederschuhe nehmen Feuer die schlimmsten Auswirkungen, sind jetzt aber durchnässt, über und über mit Schlamm bedeckt und an den Grenzen ihrer Haltbarkeit. Seiner einfachen Stoffhose geht es nicht besser. Das Hemd ist weniger dreckig, aber garantiert von Schweiß durchtränkt, weil er darüber die dunkelblau schimmernde Haut des Vipernmagiers trägt. Ihr Schutz vor allen Elementen hilft hier nicht allzuviel, und die Farbe ist auch nur noch stellenweise zu erkennen. Beide Oberbekleidungsstücke bedecken das dunkle Geheimnis, die Narben in Form eines Pentagramms, welche ihn überhaupt erst auf diese Reise geschickt haben. Im Gegensatz dazu ist die Bedeckung des Narbengeflechtes an seinem Bein völlig irrelevant, genauso wie die der fast komplett gerade,n recht gut verheilten an seiner Stirn, die er sich im Kampf gegen den falschen Geisterbeschwörer zugezogen hat. Über dieser, sein wieder etwas länger gewachsenes schlohweißes Haar gegen den langgezogenen Kopf pressend, ein bronzefarbener Helm, in Form eines gehörnten nicht ganz menschlichen Schädels. Ein dünner Schweißfilm bedeckt die sichtbaren Teile seines Gesichts, die hohen Wangenknochen und die Wangen selbst, die nicht mehr ganz so eingefallen sind, als wie bei dem erstem Mal, als ich ihn sah; geholfen haben die unregelmäßigen Mahlzeiten aber sicher nicht. Viel Sonne hat er auch nicht abbekommen seit der Wüste, und er war schon immer blasser, als es seine Herkunft vermuten lassen würde, aber sie sorgt dennoch dafür, dass seine Haut deutlich dunkler ist, als zu seiner Haarfarbe passt. So, wie auch der Gürtel um seine Hüften dunkler, wuchtiger und schwerer ist als der ganze Rest seiner Ausrüstung; mit dem kunstvoll gearbeiteten Reptil als Schnalle und den vier Reihen metallbesetzten Leders setzt er sich deutlich von dem Gesamtbild aus Leder und Knochen ab. Daran hängen drei Gegenstände: Ein kurzer Holzstab, besetzt mit einem kleinen Schädel an der Spitze, was die Profession seines Trägers noch einmal unterstreicht, ein Lederbeutel, wohl das einzige gute Geschenk, das wir bisher vom Himmel erhalten haben; er ist voll mit Milch, und wird dies auch bleiben, egal, wie viel man daraus trinkt. Und zuletzt, natürlich, der grausame Dolch mit der gewellten Klinge, das seelenstehlende Jade-Tan-Do. Kein Zauberwürfel der ehrwürdigen Horadrim; diesen hat er Deckard Cain bei ihrem Abschied übergeben, der Nutzen erschöpft.
Auf dem Rücken ein vergilbter Schild aus Knochen. Die Wand der Augenlosen hat nichts von ihrer Unheimlichkeit verloren durch die vielen Kampfschäden, die sie erlitten hat und welche nur notdürftig wieder geflickt wurden; immer noch scheint einen jeder einzelne der vielen kleinen Menschenschädel, aus denen sie besteht, anzustarren. Wahrscheinlich ist sie auch immer noch von dem Unleben ihrer Herkunft beseelt, einst ein Skelett im Dienst des Meisters, nun transformiert zu seinem Schutz.
Der Träger des beunruhigenden Schildes stolpert über eine Wurzel und rutscht fast an der glitschigen Borke ab, an der er sich festhalten wollte. Genervt reibt er seinen Handschuh gegen eine Hose, die nicht mehr wirklich eine saubere Stelle hat, an die er den Dreck abstreifen könnte. Etwas seltsam mutet der rubinbesetzte Ring an, welchen er über das Leder gestreift hat, dass seinen kleinen Finger umgibt; zumindest solange man nicht von dessen Eigenschaften weiß, mit einem schnellen Gedanken einen kleinen Feuerblitz abfeuern zu können. Unsichtbar, unter dem Leder und am Ringfinger der anderen Hand, ein deutlich schlichterer Ring; eine stete Erinnerung daran, dass es jemanden gibt, die er jetzt viel lieber suchen würde, als sich hier durch den Dschungel zu quälen ... aber er hat seine Entscheidung getroffen.
Deutlich müheloser schreitet vor dem Meister unser Führer durch das Dickicht, eine unbenutzte Machete an seinem Gürtel; er schiebt Blattvorhänge zur Seite, quetscht sich an Bäumen vorbei, und, von meiner Warte aus ziemlich eindeutig, nimmt oft größere Umwege in Kauf, statt einen Busch auszureißen oder einen Sprössling zu fällen. Der Meister muss sich komplett verloren vorkommen; schon seit zwei Tagen streifen wir durch das Unterholz, und ich bin heilfroh über mein perfektes Gedächtnis, sonst hätte ich ebenfalls absolut keine Ahnung mehr, wo wir sind. Ziemlich tief im Sumpfland sind wir auf jeden Fall. Den Weg zurück wüsste ich; das ist ein großer Teil meiner Aufgabe als Rückversicherung. Der andere Teil ist es, den Menschen immer in Blickreichweite zu folgen, ohne mich sehen zu lassen. Eine interessante Herausforderung, die ich mit Freuden angenommen habe, als der Meister mir seine Idee unterbreitet hat. Denn ganz vertrauen wir dem sehnigen, älteren Führer mit der ledrigen, blassen Haut nicht.
Wir vertrauen ihm auch nur ein bisschen?
Ja, Korrektur, wir vertrauen ihm so weit, wie der Meister hier alleine kommen würde.
Durch meine Beobachterposition kann ich problemlos Nachts Wache halten, wenn die beiden ein kleines Feuerchen entfachen; die Technik, die der Einheimische dafür anwendet, ist eine Wissenschaft für sich. Natürlich hätte der Zweite das auch gekonnt, wie er mir gleich eröffnet hat, als ich das erste Mal Bewunderung äußerte. Elementare Sache. Nun, jetzt weiß ich es auch. So oder so ... den Meister wird es sicher spätestens in der zweiten Nacht schwer gewurmt haben, dass er meine Anwesenheit ein Geheimnis gelassen hat. Sonst müssten die beiden nicht in Schichten schlafen. Nach einer durchwachsenen, aber bis jetzt relativ ... zahmen ... Suche nach diesem Ort ist dies hier doch eine eher unangenehme Abwechslung für ihn. Wieder kratzt er verstohlen an einem Mückenstich an seinem Hals; er nimmt diese Prüfung relativ stoisch - hat schließlich schon deutlich Schlimmeres durchgestanden, realistisch gesehen - aber die Fassade bekommt langsam Risse.
Der Führer biegt wieder in eine unerwartete Richtung ab; ich springe zum nächsten Baum, greife einen Ast daran, winke kurz dem Meister zu, der weit genug hinter dem anderen Menschen ist, dass ich mir solche kurzen Momente leisten kann, und ziehe mich wieder außer Sichtweite. Mein scharfes Hörvermögen kann sein wenig amüsiertes Schnauben klar aus den Hintergrundgeräuschen filtern. Ein Baum weiter, um dessen Stamm herum ...
Entspannt sitzt der Mensch, dem wir bis hierher gefolgt sind, auf einem Stein. Pause? Jetzt? Wir sind doch erst drei Stunden ohne Unterbrechung unterwegs.
Das gefällt mir nicht. Mein Zug.
Der Zweite und ich teilen uns den Körper mittlerweile ohne große Probleme. Wann immer einer von uns gerne Kontrolle haben möchte, bekommt er sie; ansonsten spielen wir unsere brettlosen Schachpartien gerne mit Einsatz von Stunden am Ruder. War seine Idee. Mittlerweile bin ich aber gut genug, dass er zwar noch häufiger gewinnt als ich, aber nur noch so, dass er vielleicht drei, vier Stunden mehr pro Tag herausschindet. Seltsamerweise verbringt er viele von diesen gerne in kompletter Dunkelheit völlig still auf einem Ast sitzend, während wir den gerade wachenden Menschen unter uns beobachten und den Rest des Dschungels im Auge behalten, den dieser nicht überblicken kann, also macht es letztlich überhaupt keinen Unterschied ...
Er hat uns nun vorsichtig und effizient um die kleine Lichtung, an deren Rand sich der Führer niedergelassen hat, navigiert, und wir sind in dessem Rücken. Geschickt formt der Zweite den Körper zu einem niedrigen, unauffälligen Hügel, dabei sorgfältig auf das Paket in unserem Inneren achtend.
Der Meister betritt den baumfreien Platz und stutzt. »Ist etwas nicht in Ordnung?«, kommt seine sorgsam neutral formulierte Frage, begleitet von einem ebenso sorgsam zufällig scheinendem Abstützen seiner Hand an der Hüfte - wo der Dolch hängt.
»Im Gegenteil«, antwortet unser wortkarger Begleiter. »Wir sind am Ziel angelangt.«
Skeptisch sieht der Meister sich um, dann lässt er seinen Arm in einer seiner typischen übertriebenen Gesten über den Wald um uns herum schweifen. »Was denn für ein Ziel? Hier ist nichts!«
Der andere steht auf. »Bis in die Nähe der Totenbeschwörerstadt führe ich Euch, sagte ich. Das hier ist nahe genug.«
Nun, das hat er gesagt.
Hilft uns aber viel. Die Augen des Meisters schließen sich kurz; er muss seinen spontan aufkommenden Zorn unterdrücken. Es dauert allerdings nicht lange, bis er das geschafft hat, in der Disziplin, seinen Stolz schlucken zu müssen, wurde er gut geschult in den letzten Tagen; so ist seine Stimme immer noch neutral, als er seine Bedenken preisgibt. »Nahe ist eine sehr vage Aussage. Wie soll ich denn von hier, wenn es schon nicht unser Ziel ist, an mein Ziel kommen?«
»In diese Richtung«, deutet der Mann mit dem wettergegerbten Gesicht. »Vielleicht noch eine Stunde Marsch, länger in Eurer Geschwindigkeit. Die Bäume hören für eine Weile auf. Riecht nach Friedhof. Nicht zu verfehlen.«
Er beginnt, zurückzugehen. Wir erheben uns lautlos, schleichen um Bäume herum am Rand der Lichtung, um in seiner Nähe zu bleiben. Der Meister weicht zurück, lässt ihn in gebührendem Abstand vorbeigehen, aber versucht es noch einmal. »Man könnte meinen, für was ich dir gezahlt habe, würdest du mich wenigstens direkt hinführen.«
Das ist dem anderen jedoch nur ein trockenes Kichern wert. »Mein Herr, wäre Eure Bezahlung nur ein bisschen kleiner ausgefallen, hätte ich nicht einen Schritt in diesen Wald getan. Ich würde Euch viel Erfolg wünschen, wenn ich auch nur ein wenig daran glauben würde, dass Ihr in etwas mehr als einer Stunde nicht tot seid.«
Gut, dass er nicht weiß, dass er alles von unseren Runen und Edelsteinen bekommen hat, die noch übrig waren. Dieses eine Mal bin ich dem Meister im Nachhinein wirklich dankbar, dass er die Splitter von Diablos Seelenstein noch mitgenommen hat. Der in seiner Gier still Gewürdigte verschränkt die Arme. »Vielen Dank für die aufmunternden Worte, aber ich kann schon auf mich aufpassen.«
»Dann sollte Euer Golem noch lernen, sich besser zu verstecken.«
Darauf hat der Meister nun keine schlagfertige Antwort, und schon ist unser Führer verschwunden. Irritiert schnippt er mit den Fingern. Ich trete neben ihn.
»Was er sich nur einbildet ... dann weiß er ja, dass ich Totenbeschwörer bin! Was ist das Problem?«
Demonstrativ beäuge ich ihn von oben bis unten. »General, wenn er nicht herausgefunden hätte, dass du Nekromant bist, wäre er komplett ungeeignet gewesen als Führer. Aufgrund von völliger Blind- und Blödheit.«
»Ach, sei still und mach dich nützlich. Siehst du denn in ...» Er wedelt mit der Hand vage über seine Schulter. »... dieser Richtung einen Bruch im Bewuchs dieses ekelhaften Dreckslochs?«
Mit einem angedeuteten Kichern greife ich in meinen Kopf und ziehe ein Stück meiner Körpermasse heraus. »Kann ja mal ein Auge auswerfen.« Der Zweite gibt mir bewusst Kontrolle hierfür; er gibt mir deutlich zu verstehen, dass er es für ein Unding hält, dass ich mich immer drücke, wenn es ums Werfen geht. Also befördere ich selbst beherzt den Klumpen des Tons, aus dem ich bestehe, in die Luft, weit über die Baumwipfel, und tatsächlich, er fliegt nur drei Schritte weiter wieder zu Boden; der Wind?
Hat dir geholfen. Du hast ...
... eine Fülle von Bildern erfüllt meinen Kopf, mit denen er mir kurz und bündig erklärt, was ich falsch gemacht habe. Es hat eine Weile gebraucht, ihn zu erziehen, aber jetzt fällt er schon ganz von alleine in konstruktive Kritik, statt nur zu meckern, was ihm wohl gar nicht auffällt, und was er sicher streng verneinen würde. Während ich mir klarmache, was ich beim nächsten Wurf verbessern könnte, hat er bereits den Ausblick, den uns die Körpersonde gebracht hat, ausgewertet, und gibt ihn dem Meister wieder. Diesen Trick zu entwickeln, war nicht besonders aufwändig, wo uns die unfreiwillige Zersplitterung durch Diablos Blitzstrahl doch schon gezeigt hat, wie es geht; so können wir problemlos Teile von uns irgendwo hinwerfen und durch sie sehen, hören, spüren, wo sie sind; so aufmerksam unser Führer letztlich auch war, er hat zum Beispiel auch noch nicht gemerkt, dass ein Teil des Schlamms an seinen Schuhen einmal mein kleiner Finger war, weswegen die Route zurück zumindest noch einmal extra gesichert ist. Und er verschwindet auch definitiv so schnell, wie er kann von hier, deutlich flinker noch, als er bisher schon dem Meister vorangeeilt ist; kein sich anbahnender Verrat hier, aber man kann ja nie vorsichtig genug sein.
«... also hat er zumindest darüber die Wahrheit gesagt, die Vegetation lichtet sich etwa einen Kilometer Luftlinie von hier.«
Der Zweite deutet, jeweils ein Finger an jeder Hand erhoben, den Quadranten Wald ab, wo dies der Fall ist. Der Meister nickt. »Danke, Zweiter. Nun denn, du bist unser neuer Führer. Du hast volle Erlaubnis, Gestrüpp, das im Weg ist, einfach auszureißen.«
»Sehr gerne, Meister«, sagt der Zweite, aber ich bitte um Kontrolle, ziehe die Finger ein und rede nahtlos weiter.
»Finde ich nicht gut. Er hat offenbar tierische Angst vor den Totenbeschwörern und wollte die auf keinen Fall verärgern, warum sonst hätte er die Pflanzen in Ruhe lassen sollen? Ich denke, so zurückgezogen, wie die sind, sehen sie es nicht gerne, wenn wir eine Schneise direkt zu ihrem Versteck schlagen. Etwas mehr als eine Stunde kommt doch gut hin, wenn wir so schnell wie bisher vorankommen. Ist dir die Zeitersparnis wirklich wert, gleich einen schlechten Eindruck zu hinterlassen?«
Er reibt sich das Kinn. »Fast. Aber du hast Recht. Lassen wir uns lieber sogar noch ein wenig mehr Zeit, jetzt, wo ich diesem Wahnsinnigen nicht mehr hinterherhetzen muss; ich bin mir sicher, die sehen uns kommen, wir wollen doch nicht verzweifelt wirken.«
Meine rechte Hand winkt mit Zeige- und Mittelfinger zwischen zwei Stämmen hindurch. »Dann folgt mir bitte.«
Während der Zweite den besten Weg voran ausspäht, immer wieder auf Bäume steigt, um die beste Route zu planen, lehne ich mich figurativ zurück und lasse die Ereignisse, die uns hierher geführt haben, Revue passieren. Nach unserem Triumph über das zweite Große Übel Diablo und der rauschenden - und rauschvollen - Siegesfeier in Kurast hat sich der General schnell abgesetzt. Ich hatte mein Versprechen Natalya gegenüber gebrochen und ihm verraten, dass sie sich nach Norden aufgemacht hatte; es nagt sicher noch immer an ihm, dass er nicht sofort dorthin aufgebrochen ist. Aber Belials Abschiedsworte - und das deutlich sichtbare Zeichen, das er auf der Haut des Meisters hinterlassen hat - haben diesen eine andere Entscheidung treffen lassen. Er hat nicht vor, irgendwann unvorbereitet ... gut, das ist meistens der Fall ... sagen wir überraschend zu sterben, woran auch immer, und sich in der Hölle vorzufinden. Darum hat er sich von Deckard verraten lassen, wo dieser den Aufenthaltsort des Kultes von Rathma vermutet. Die Hochburg der Nekromantie. Von ihnen, hofft er zumindest, wird er lernen, die Hölle zu überlisten ... oder sogar seinen eigenen Tod. Ich unterstütze erstere Idee vollkommen ... und begrüße, dass der Meister klar Prioritäten setzen kann. So sehr ich Natalya selbst mag, ihr kopflos hinterher zu rennen wäre ... närrisch. Gefahren lauern überall, und wir wissen nicht, wo Baal steckt. Bevor wir erneut in einen Kampf um Leben, Tod und die Zukunft von Sanktuario gezogen werden, muss der Meister den Griff der Hölle abschütteln ... nebenbei, und das weiß er auch, können wir uns nicht einmal sicher sein, dass Natalya noch lebt. Wir reden nicht darüber, in stillen Einvernehmen, aber er macht sich sicher noch deutlich mehr Gedanken als ich ... Belial sagte, dass die gefangene Seele, welche exakt wie die vom Meister so geliebte Assassine aussah, nur eine Replik war. Aber er ist der Herr der Lügen. Und woher wusste Azmodan, der sie als Druckmittel benutzte, wie Natalya aussieht? Alles Zweifel, die dem Meister sicher auch gekommen sind. Letztlich denke ich mir, dass der Weg, dem wir gerade folgen, seine aktuelle Mission, mehr über seine Kräfte und ihre wahre Macht zu erfahren, eine nur zu willkommene Ablenkung sind. Ein Aufschub, bevor er die Wahrheit irgendwann herausfinden muss.
Seine zweite Idee, dass die Nekromantie ihm vielleicht sogar helfen kann, den Tod selbst zu überwinden, bereitet mir dagegen extreme Bauchschmerzen. Das kann nicht richtig sein und ist hoffentlich nur eine aus der Verwirrung eines verzweifelten Moments geborene verrückte Aussage des Generals gewesen. Interessanter- und letztlich auch beunruhigenderweise findet der Zweite das gar nicht komplett abwegig. Wir haben lange und ausgiebig darüber diskutiert. Er ist der Auffassung, dass beispielsweise sich selbst wiederzubeleben und dann nur von der eigenen Totenbeschwörergabe am Unleben gehalten zu werden doch besser wäre, als in der Hölle zu landen? Für mich klingt das wie die Hölle ... auf Erden, ja, aber fürchterlich. Mein eigener Körper ist mir oft zuwider genug, aber ich habe nicht einmal den Vergleich mit dem echten, süßen Leben. Aber der Zweite ist nun einmal Pragmatiker. Und, zumindest hat er so angefangen, völlig wahnsinniger Soziopath. So sehr er sich geöffnet hat seitdem, kann ich das nicht wirklich vergessen ...
Ausgang hin oder her, mit dieser neuen Mission im Hinterkopf sind wir, bewaffnet nur mit Überzeugung, den Taschen voller Juwelen und wertvoller Runen und der Freundschaft zueinander, nach Osten aufgebrochen. Makabre Vergleiche mit dem Helden vor uns, der zu Diablo wurde, drängen sich auf. Von Stadt zu Stadt reisten wir, kauften Informationen, hörten Gerüchte umsonst, warfen unseren steigenden Ruhm in die Wagschale, und landeten schließlich in einem Nest am Ende der Zivilisation. Ein kauziger, aber gieriger Mann bot uns an, für einen lächerlichen Preis den Weg in den Sumpf zu zeigen, und da sind wir nun.
Umgeben von Zweigen, Blättern, Schlamm, und ... Bewegungen aus dem Augenwinkel? Welche ich nicht besitze, also sehe ich mir das Bild noch einmal an, das gerade gesehen, aber ausgeblendet habe, weil ich von der Denkkapazität nicht ganz damit klarkomme, volle Rundumsicht zu haben, auch, wenn ich die theoretisch besitze. Ich tippe dem Zweiten auf eine metaphorische Schulter und gebe das Bild weiter. Er nickt intern und landet vor dem Meister, der, weil er uns so klar spürt wie jedes einzelne seiner gerade nicht erschaffenen Skelette, nicht von unserem Auftauchen überrascht ist.
»Mögliche Gesellschaft«,
flüstert der Zweite, während er einen nicht offensichtlichen Durchgang zwischen zwei Büschen aufzeigt, als wäre dies der Grund gewesen, aus dem Baum zu hüpfen. »Weiter wie bisher, halt die Augen offen«, kommt er halblaut zurück, während ich das Gestrüpp sanft auseinanderhalte, ohne sie zu zerstören.
Der Zweite überlässt mir nun die Kontrolle, mit einem unausgesprochenen Anerkennen meiner Lust daran, sich zu etwas ausgelasseneren Bewegungen hinzugeben, einfach, weil es Spaß macht. So schwinge ich mich wieder übertriebener zwischen den Baumkronen hin und her, immer noch unter dem Vorwand, den besten Pfad zu suchen, aber in Wirklichkeit späht der Zweite derweil ganz andere Dinge aus. Die wachsende Spannung, die mich ergriffen hat, verhindert, dass ich die Freiheit des Waldes wirklich genießen kann, aber ich sage mir, dass das gar nicht so schlecht ist; damit ist der Wechsel unseres Verhaltens nicht ganz so offensichtlich.
Nach einigen Minuten konzentrierten Achtens auf die kleinsten Zeichen von ungewöhnlicher Aktivität in unserer Nähe hat der Zweite eine Spur; wir werden definitiv beobachtet ... von jemand oder etwas, der sich nicht viel anders als wir durch das Sumpfland bewegt. Was einen guten Teil dazu beigetragen hat, dass er es überhaupt entdeckt hat. Bei nächster Gelegenheit - um einen halbwegs festen Weg durch ein großes Schlammloch abzustecken - bestätigen wir unsere Beobachtungen. Der Meister nickt nur sehr knapp und sagt sonst nichts. Ich helfe ihm über eine Pfütze. Erst bei dieser Gelegenheit flüstert er mir zu: »Halt dich bedeckt und still.«
Ich gehorche, natürlich, und es geht weiter. Wir kommen langsamer voran als mit Führer, aber es ist deutlich angenehmer für den Menschen. Er muss sich nicht mehr beeilen, stolpert weniger, und ich wähle extra Wege, die einfach für ihn sind. Der andere hätte ihm auch nie direkt geholfen. Es dauert also tatsächlich fast zwei Stunden seit dessen Abschied, aber endlich erreichen wir die Zone dünner werdender Vegetation. Es sieht hier fast so aus, als gäbe es einen klaren Pfad, dem der Meister folgen kann; viel weniger Schlamm, die Wasserlöcher sind kleiner und einfacher zu umgehen, und das Gras ist niedriger. Könnte Zufall sein ... aber ich denke, hier kommen ab und zu Menschen vorbei. Allerdings öfter rechtwinklig zu unserem Weg als direkt auf ihm; sie verlassen das mutmaßliche Ziel unserer Reise nicht oft, sondern wandern eher im Kreis um ein noch unbekanntes Zentrum. Die Beobachter, noch immer nicht klar erkannt, ziehen sich von hier ab zurück; mir kommt es so vor, als würden sie eher darauf achten, dass wir uns nicht einfach umdrehen und verschwinden können ...
Geruch nach Friedhof, hm?
Was meinst du?
Die Bäume ... sie wurden auch hier nicht bewusst gefällt. Aber dennoch gibt es weniger.
Der Zweite hat Recht. Es gibt immer weniger Bewuchs, das trifft auch auf Gräser und Rohrkolben und Büsche zu. Die Geräuschkulisse wird leiser. Das Leben zieht sich mit jedem Schritt, den wir tun, mehr zurück. Als würde es das Ziel unserer Reise bewusst meiden ... nicht vorhandene Haare in meinem Nacken stellen sich auf. Stumm schreite ich nun an der Seite des Meisters, meine Nerven gespannt. Wir sollten gut geschützt sein vor einer ganzen Menge Bedrohungen, mit großzügiger Erfahrung im Überleben, und einem gewaltigen Arsenal an Fähigkeiten. Aber wenn die Leute hier feindselig sind, bringt das weniger als je zuvor - denn sie sollten zumindest theoretisch die gleichen Fähigkeiten besitzen.
Zwei tote Bäume haben ihre Äste vor ihrem Ableben verschränkt wie um sich gegenseitig bis zum Schluss zu trösten, was ein Portal formt, völlig frei von wie bisher immer herabhängenden Schlingpflanzen; erhobenen Hauptes geht der Meister hindurch. Ich sehe die Bewegung kurz bevor er den Kopf nach hinten links und rechts neigt; nicht der Bewegung wegen, die konnte er nicht bemerkt haben, sondern weil er deren Quelle spürt, sicherlich.
»Ich will nichts Böses und keinen Ärger«, ruft er in die Stille vor ihm, ein weites, flaches und uncharakteristisch trockenes Feld, und hebt die Arme.
Links und rechts von ihm wachsen humanoide Körper aus dem Boden, eindeutig Golems wie ich, aber mit weniger ausgeformten Gesichtern. Sie sind gedrungener, ihre Köpfe sind flacher, ihre Hände grober, die Füße nur Stumpen; in etwa, wie ich aussah, als ich das erste Mal erschaffen wurde. Langsam lasse ich meinen eigenen Ausdruck stumpfer werden, die Augenbrauen zerlaufen, die Lippen verlieren an Definition. Wie üblich habe ich sofort verstanden, worauf der Meister hinaus will, und diese hier bestätigen seine unausgesprochene Vermutung; er hat sich mit mir und meiner Entwicklung unglaublich stark beschäftigt, und das wird sicher nicht für jeden anderen Totenbeschwörer zutreffen. Kein Grund, das volle Ausmaß meiner Fähigkeiten gleich zu verraten.
Die anderen Golems sind stumm, bauen sich neben dem Meister auf und verschränken die Arme. Da tritt ein Mensch hinter einem Steinhaufen hervor, den ich auf den ersten Blick für einen Hügel gehalten habe, aber natürlich ist er das nicht; die Erde darüber ist nur aufgeschichtet, was eindeutiger ist, da hier kein Gras wächst, das den Fakt verschleiern könnte. Der andere tut es den Golems nach und verschränkt die Arme; da er sich offenbar sicher fühlt, lässt der Meister seine sinken, aber die Hände sichtbar.
»Wenn du keinen Ärger willst, warum bist du dann hierher gekommen? Dein Führer hat dich doch mehrmals gewarnt.«
Der Meister lächelt. »Vielleicht bin ich ein wenig dumm. Ein wenig zu unvorsichtig. Oder vielleicht möchte ich etwas anbieten.«
»Vielleicht bist du zu arrogant. Du scheinst zu denken, nur, weil du den gesegneten Fluch besitzt, kannst du hier hereinmarschieren und wirst mit offenen Armen empfangen?«
Der gesegnete Fluch?
Die Gabe der Nekromantie. Ich sehe nicht, was daran ein Fluch sein soll.
Oh, ich schon. Der Meister sicher auch, sonst würde er die Bezeichnung nicht so ungefragt hinnehmen.
Dann ist er wohl schlauer als du, weil du hast immerhin gefragt.
Nicht abzustreiten. Der Meister antwortet mit einer angedeuteten Verbeugung. »Wäre ich dann nicht überrascht gewesen, dass ihr mich hier gar so feindselig aufhaltet?«
Der andere hebt eine Augenbraue. Eine schwarze - seine Haut ist bleich, aber seine Haare nicht. Er ist noch recht jung und trägt einfache, schmutzig-weiße Stoffkleidung. »Arroganz sehe ich dennoch genug. Wie nennst du dich?«
»Man kennt mich als den General.«
Der Ausdruck unseres Gegenübers versteift sich. Zwei weitere Totenbeschwörer in seinem Alter erscheinen von irgendwoher, einer von ihnen ist klein und schmächtig mit sehr kurz geschorenen Haaren, der zweite etwas dicklich und braunhaarig. Dieser ist es auch, der spricht: »Das beweist es. Wir sollten ihn sofort töten.«
Ein eisiger Blick von dem ersten, den wir gesehen haben, lässt ihn den Mund schnell zuklappen. »Liegt das an dir zu entscheiden? Geh hinein und melde es.« Er wendet sich wieder dem Meister zu. »Wir haben von dir gehört, von deinen Taten im Namen eines fürchterlichen Verbrechers. Bist du dir der Signifikanz dessen überhaupt bewusst?«
Der Meister legt den Kopf schief. »Ich weiß mittlerweile, dass er kein guter Mensch war. Aber ich hatte meine Gründe, den Namen zu wählen, und nun ist es ein wenig zu spät, nicht war?«
»Du kannst dir ja schon einmal einen Grund überlegen, warum wir dich nicht allein dafür töten sollten«, sagt der Schwarzhaarige emotionslos. Der Meister kontert: »Schon erledigt. Sagte doch, ich habe etwas anzubieten. Warten wir nun auf deinen Vorgesetzten, oder was?«
Darauf erhält er keine Antwort. Düstere Stille senkt sich über die Lichtung.
Gedankenspiel. Wie tötet man am besten einen Tongolem?
Kommt darauf an, wie er sich gibt. Formbar oder hart. Wenn Ersteres, zerreißen. Wenn Letzteres, zersplittern.
So oder so, möglichst viel Trennung zwischen Körperteile, genau. Was werden die denken, dass der beste Weg ist, uns loszuwerden?
Exakt das Gleiche.
Ich sehe, wir verstehen uns. Wir schalten einen aus, lassen uns von dem anderen »töten«, idealerweise auseinanderreißen, und dann hat er plötzlich zwei Gegner. Und keine Chance.
Denkst du, wir können unterscheiden, ob er gerade hart ist oder weich?
Sicherlich. Je nach Feuchtigkeit spiegelt sich das Licht anders.
Ich richte meinen Blick auf die linke Hand ohne mich zu bewegen und härte sie langsam aus, dann lasse ich sie wieder weich werden. Du hast Recht, das ist nicht schwer.
Natürlich. Wir gehen auf den, der hart ist. Bleiben weich, lange Arme, hoch über unseren Kopf. Entweder, er ist dumm und vertraut auf seine Widerstandskraft; dann brechen wir ihn über unser Knie. Am besten, wir formen einen spitzen Grat über den Oberschenkel. Die Schwerkraft arbeitet gegen ihn. Wenn er schlau sein will und sich verflüssigt, formen wir Klauen und zerreißen ihn.
Dann kriegt uns der zweite ... ja, genau.
Bevor irgendwas davon passiert, tritt ein älterer Mann ans Tageslicht. Er trägt ein kunstvoll mit Knochen, die an einen Brustkorb erinnern, besetztes eng anliegendes Lederoberteil, eine Schulter ist gekrönt von einem Schädel, dem ein einzelnes Horn aus der Mitte nach oben ragt, seine wertvoll, aber schlicht aussehende Hose ist purpurn und Stiefel und Handschuhe sind gut gearbeitetes weißes Leder, mit Knöcheln besetzt. Er hat ein ernstes, zerfurchtes Gesicht, lange, strahlend weiße Haare, ist hochgewachsen und sehr dünn. Wäre seine Nase gekrümmter, könnte ich mir vorstellen, dass der Meister einmal so aussehen wird. Die Falten würden die Narbe an der Stirn verbergen.
»Ihr seid also zu uns gekommen, der Ihr den Namen des Generals tragt«, intoniert er; seine Stimme ist dünn und leise, aber enthält Stahl. Er strahlt die Aura eines Menschen aus, der ganz genau weiß, was er tut, zu jeder Sekunde seines Lebens; ihn wird nichts mehr überraschen, denn er hat alles gesehen, und auch wenn er das nicht von sich denkt, ist es gut möglich, dass er auch alles weiß, was es zu wissen gibt.
Ich werfe einen Blick zum Meister, ohne die Golems aus dem Fokus zu verlieren. Kurz blitzt der Schalk in seinen Augen auf; aber bevor ich mir ein von ganzen Herzen gefühltes bitte nicht denken kann, erkennt auch er, dass er mit Witz, Charme, Überheblichkeit oder sonstigen Spielereien hier komplett auf Granit beißen würde. Oder besser auf uralte, versteinerte Gebeine. So geht er auf ein Knie.
»Mit diesem Namen zu beleidigen war nie meine Absicht. Ich bin hier, um zu lernen, meine Gabe, den gesegneten Fluch, besser zu gebrauchen. Um mehr zu erfahren über den Tod und das Leben.«
Kurz hängt das Satzende in die Luft, bis er einen Herzschlag später noch hinzufügt: »So Ihr dies gestattet.«
Zwei weitere Herzschläge vergehen - ich kann, wenn ich mich wirklich stark konzentriere, die des Meisters hören. Dann setzt der ehrwürdige Beschwörer wieder zu reden an: »Ihr seid offenbar bereits weit Euren eigenen Weg gegangen. Weit genug, um zu vollbringen, was vielerorts bereits als große Taten gefeiert werden. Was könntet Ihr von uns wollen, außer nur noch mehr Macht? Die Glorifizierung des verschmutzten Namens, den Ihr tragt, ist für uns verabscheuungswürdig. Euer sogenannter großer Sieg erfüllt uns mit tiefster Sorge. Wir sind nicht gewillt, Euch hier Einlass zu gewähren. Noch weniger, Euch gehen zu lassen.«
Der Meister hebt den Kopf. »Ihr wollt mich töten?«
Gewisses Bedauern schleicht sich in die Stimme des anderen. »Wir werden Euch dem Kreislauf des Lebens zurückgeben. Niemand stirbt wirklich. Ihr werdet bekommen, wozu Ihr hierher gekommen seid: Euer Name wird unseren Orden nicht mehr beleidigen. Und Ihr werdet alles über den Tod erfahren, was Ihr Euch je wünschen könntet - sowie über die Wiedergeburt.«
Mach dich bereit.
So leicht gibt sich der Meister allerdings nicht geschlagen. »Moment, bitte. Einspruch. Ich bin nicht nach Eurer Philosophie erzogen worden, dazu hatte ich auch keine Chance. Mein Name hatte für mich wenig Bedeutung bis erst vor Kurzem. Dafür könnt Ihr mich nicht beschuldigen, trotzdem tut es mir Leid. Was keine Entschuldigung ist, dennoch Tatsache. Aber darüber hinaus könnt Ihr nicht abstreiten, dass ich Talent habe. Wollt Ihr die Gelegenheit verschwenden, meinen gesegneten Fluch nach Euren Wünschen zu formen? Ich bin jung. Es ist nicht zu spät. Macht mich zum Novizen. Lehrt mich Euren Weg. Ich werde tun, was Ihr von mir verlangt.«
Der greise Nekromant schüttelt den Kopf. »Es ist zu spät. Ihr habt von der Frucht der Macht gekostet. Ein Totenbeschwörer zu sein, heißt, dem Verlangen zu entsagen. Mit Eurem Namen, mit Eurer Geschichte, werdet Ihr dies nie erreichen. Das Risiko ist zu groß. Ihr hättet nicht hierher kommen sollen. Euer Weg wird im nächsten Leben weitergehen.«
Immer noch bereit?
Bereiter als bereit. Doch der Meister hat, natürlich, noch ein As im Ärmel, oder besser, in der Tasche unter seinem Schild, die er auf dem Rücken trägt. Er hebt die Hände. »Ich bin nicht hier, um meine Macht zu vergrößern. Das könnt Ihr glauben oder nicht. So oder so bin ich aber nicht mit leeren Händen gekommen. Als Zeichen meines guten Willens biete ich ein Geschenk an. Ihr habt keinen Grund, mit zu vertrauen, natürlich nicht; weist einen der Golems an, ein Schwert zu formen und mir an den Hals zu legen, falls ich etwas versuchen würde. Ich möchte nur das Geschenk ... auspacken.«
Der schwarzhaarige Novize, der uns zuerst begegnet ist, sieht den Meisterbeschwörer an. Dieser nickt. Ein Golemschwert berührt die Haut des Meisters.
Das wirft unsere Pläne ganz leicht über den Haufen.
Wenn er nicht immer so unglaublich selbstsicher wäre!
Er wäre nicht hier, wenn er diese Eigenschaft nicht hätte ...
Ich weiß, aber ... verdammt!
Fluch nicht, plane. Er hat sicher trotzdem noch einen Extraplan, nur leider hat er uns den nicht verraten. Denkst du, er kann eine Knochenrüstung an seinem Hals heraufbeschwören?
Stumm werfen der Zweite und ich uns Szenarien an den Kopf, während wir nur beobachten. Mit bedachten Bewegungen legt der Meister seinen Schild ab, holt die Tasche nach vorne und kramt darin. Nach kurzer Suche befördert er ein altes, verfallenes und insgesamt ziemlich schäbig aussehendes Buch hervor.
Er legt den Sack auf den Boden und den Folianten vorsichtig darauf.
»Ich weiß nicht, wie viel Euch dies wert ist, aber ich bin mir sicher, dass es so oder so eine nette Ergänzung wäre. Es ist das Werk, das mir geholfen hat, meinen gesegneten Fluch zu entdecken. Die Erklärung dafür, warum ich meinen Namen gewählt habe. Es ist Eures. Ich brauche es nicht mehr.«
Der Mann, der im Moment über unser Leben herrscht, starrt auf den modrigen Wälzer. Ich kann nur erahnen, welche Buchstaben auf dem Deckel stehen, weil ich weiß, was es ist. So nickt er dem kleinen Novizen zu, der noch nichts gesagt hat, und mit heller Stimme befiehlt dieser seinem Golem, das Buch zu nehmen und dem Alten zu bringen. Dieser nimmt es nicht, sondern weist den Golem leise aber bestimmt an, es ihm zum Lesen hinzuhalten. Seine stahlblauen Augen verengen sich.
»Ihr wart im Besitz eines der gefährlichsten Bücher in ganz Sanktuario? Das erklärt ... Einiges.«
Mit gewisser Zurückhaltung schlägt er den zerfallenden Folianten auf und blättert kurz darin. Streicht sich über das Kinn. Verzieht das Gesicht, als er eine große Passage fehlender Seiten bemerkt. Als er dies tut, studiere ich die Reaktion des Meisters; tatsächlich - seine Mundwinkel zucken, etwas, das ich nach all der Zeit mit ihm ohne Probleme sehe. Er weiß, dass er, bei all dessen Weisheit und Erfahrung, den alten Nekromanten in der Tasche hat.
Nach einer etwas zu langen Zeit kann dieser sich losreißen. »Es war weise von Euch, dieses Buch uns zu übergeben. Bei Euch hat es bereits viel Unheil angerichtet; dass es auch Gutes bewirkt hat, wage ich als reinen Zufall zu bezeichnen. Dostrian? Senke das Schwert.«
Der schwarzhaarige Novize ist sichtlich überrascht von dieser Anweisung, aber gehorcht ohne Widerspruch und großes Zögern. Er runzelt die Stirn und starrt seinen Golem an - der daraufhin die Waffe vom Hals des Meisters entfernt. Was, er kann ihn kontrollieren, ohne ihm Befehle zu erteilen?
Hm ... eine Möglichkeit. Wäre mir aber neu, und deswegen halte ich es für unwahrscheinlich. Eine bessere Möglichkeit ist, dass der Golem den kleinen Dostrian ganz gemein hinters Licht führt - er hat natürlich gehört, was der Alte gesagt hat. Vielleicht will er, dass sein Meister nur glaubt, dass er ihn mit seinen Gedanken kontrollieren kann?
Wenn wir hier reinkommen ... warum fragen wir ihn nicht einfach?
...
manchmal überraschst du mich doch mit der stupiden Brillianz deiner Ideen.
Was meinst du ...
Der Meister erhebt sich. »Bedeutet dies, dass Ihr mein Geschenk akzeptiert und meine Bitte annehmt?«
Die Antwort ist ein Kopfschütteln. »Ich akzeptiere Euer Geschenk als Zeichen Eurer Reue. Ohne dieses Buch ist der Schaden, den Ihr anrichten könnt, weit geringer. Heute wird Euer Lebenszyklus nicht enden, Ihr dürft gehen. Nicht aber unsere Hallen betreten. Ihr seid dafür völlig ungeeignet.«
»Aber ...»
»Dieses Gespräch ist zu Ende.«
Der Weise dreht sich um und geht los. Die drei Novizen sehen den Meister mit drei verschiedenen Ausdrücken an: unlesbar - von Dostrian; feindselig - vom stämmigen; und neugierig - vom fast kahlgeschorenen.
»Entschuldigt vielmals, aber ich glaube, es gibt durchaus noch etwas zu bereden.«
Kurz bleibt der Meisterbeschwörer stehen.
»Fordert meine Geduld nicht heraus. Egal, was Ihr bis jetzt vollbracht habt, Ihr seid hier vollkommen machtlos. Meine Entscheidung, Euch gehen zu lassen, ist eine große Gnade. Ich kann mich noch umentscheiden, wenn Ihr frech werdet.«
Der Meister grinst freudlos, was nur die drei jungen Totenbeschwörer sehen.
»Ich besitze ein komplett erhaltenes Exemplar der Geheimen Kunst der Nekromantie.«
Das lässt den Alten komplett inne halten. Langsam dreht er sich um. Seine Stimme ist Eis.
»Wenn dies die Wahrheit ist, war es sehr dumm von Euch, dies zu sagen. Gerade habt ihr doch erfahren, dass ich Euch nur gehen lasse, weil Ihr das Buch nicht mehr in den Händen haltet.«
Da erlaubt sich der Meister ein echtes Grinsen. »Und wenn ich aus dem, das ich Euch gerade überreicht habe, alles Lesbare kopiert hätte? Ist Euch diese Möglichkeit entfallen, weil Ihr so geblendet wart von dem unglaublichen, egal wie gefährlichen Wissen, das in der Geheimen Kunst steckt?«
Damit treibt er den anderen nicht aus der Reserve. »Aus diesen Büchern wird niemals wieder gelesen werden«, ätzt er - was der Meister ihm nicht abkauft. »Stimmt ja, Ihr habt dem Verlangen entsagt. Schade um die ganzen wertvollen, verloren geglaubten Techniken darin. Oder den noch vielen mehr, die im intakten Werk schlummern, aber da kann man nichts machen. Das hat Euch selbstverständlich überhaupt nicht gereizt. Da Ihr also nicht geblendet wart von den Möglichkeiten, noch Angst hattet vor den Gefahren, habt Ihr sicher daran gedacht, dass ich Kopien haben könnte. Darf ich also davon ausgehen, dass Ihr mich so oder so irgendwann auf dem Rückweg mit einem Giftdolch in den Rücken beiseite geschafft hättet, weil ich ein zu großes Risiko bin?«
Die Golems bauen sich vor dem Weisen auf, der die Arme verschränkt. »Ihr bietet mir kein gutes Gegenargument, dies nicht hier und jetzt zu erledigen.«
Der Meister wackelt mit dem Zeigefinger. »Brauche ich auch nicht. Die Argumente habt Ihr selbst gerade geliefert. Ich habe kein Schwert mehr am Hals, Ihr scheint nicht gewillt, zu reden, im Gegenteil, Euch scheint mehr daran zu liegen, mich auf der Stelle zu töten. Ein Dolch im Rücken wird es aber nicht mehr. Und kampflos gehe ich ziemlich sicher nicht unter.«
»Wagt es nicht, uns zu drohen. Wir sind weit mächtiger, als Ihr es je sein könntet.«
»Keine Drohung. Eine Feststellung. Vielleicht seid ihr wirklich viel stärker als ich. Die mir eigene Selbstüberschätzung, welche Ihr vielleicht schon bemerkt habt, sagt mir aber 'he General, du hast schon zwei Große Übel besiegt. Was können dir die schon wollen?'. Ich habe dafür zahllose Techniken aus dem intakten so gefährlichen Buch verwendet, welche Ihr offensichtlich nicht kennt. Und damit habt Ihr bereits selbst festgestellt - ich bin ein komplett unkalkulierbares Risiko.«
Er streckt die linke Hand mit der Fläche nach oben aus. »Wenn Ihr mich jetzt angreift, besteht eine gewisse, vielleicht nicht zu hohe, aber absolut sicher vorhandene Chance, dass ich entkomme. Mit hoch toxischem Wissen bewaffnet, das ich gerade erst begonnen habe, auszuschöpfen, mit einer Stinkwut auf Euch und Eure Politik, unbequeme Neuankömmlinge lieber gleich dem 'Zyklus des Lebens' zurückzugeben, und dem Wissen, wo Ihr Euch aufhaltet. Großes Risiko. Die Sache nicht wert.« Er hebt die andere Hand in gleicher Geste, hat nun die Arme beschwichtigend ausgebreitet. »Oder Ihr nehmt mich als Novizen an, habt volle Kontrolle darüber wo ich bin, was ich tue, was ich sehe und mit wem ich spreche. Lehrt mich Euren Weg. Bringt mich dazu, das Risiko zu sehen, der Gefahr abzuschwören, mein Potential auf sichere Weise zu erfüllen. Bekommt dafür gesagt, wo ich den intakten Folianten verstecke, meine Erlaubnis, ihn unter bestimmten Bedingungen zu studieren, und mein Versprechen, dass ich ihn im Gegenzug nicht anrühre, solange ich unter Eurem Dach wohne. Dann könnt Ihr selbst entscheiden, wie viel von dem Wissen darin gefährlich ist, womöglich schon mein Hirn vergiftet hat, oder ob Ihr bloß überreagiert habt.«
Gute Rede.
Konnte er ja schon immer.
Jetzt muss sie nur noch wirken. Die vier Menschen uns gegenüber sind still; die jungen sehen einander verstohlen an, der alte ist regungslos. Bis er doch spricht, trocken wie die Wüste von Aranoch: »Du bist dir sicher nicht bewusst, von wie vielen aus unseren Reihen du gerade umzingelt bist, oder?«
Der Meister sieht sich demonstrativ um, ohne etwas zu finden; da ich auch nichts bemerkt habe, kann er das nicht. Deswegen überrascht er mich, als er sagt: »Doch. Da ich ihre Diener spüre, kann ich mir ein ganz gutes Bild machen.«
Ein Kopfschütteln. »Du bist zu arrogant für einen Novizen.« Wofür der Meister nur ein kurzes Lachen übrig hat: »Ich weiß. Und dennoch sprecht Ihr mich schon wie einen an.«
Die Stimme des Weisen gewinnt an Kraft. »In der Tat. Beweise mir, dass du es ernst meinst. Verrate mir, wo du den Folianten aufbewahrst, und du wirst als Novize angenommen.«
Ohne zu zögern legt mir der Meister die Hand auf die Schulter und drückt zu. Ist das wirklich ...
Tu es einfach, sonst tu ich es.
Bräuchtest immer noch meine Erlaubnis. Aber gut. Er weiß was er tut, er weiß immer was er tut, wer bin ich, ihn in Frage zu stellen ... meine Brust fließt auseinander, vorsichtig lasse ich den harten Kern in ihr weich werden und ziehe ihn auch zurück. Der Titel der Geheimen Kunst wird sichtbar, klar leserlich in scharfen, nahezu von der Zeit unberührten Lettern.
Ein weiterer Moment des bangen Wartens. Diesmal mit dem höchsten Einsatz. Wenn das so weiter geht, bekomme ich noch einen unmöglichen Herzanfall. Wird der Weise sein Wort halten, oder gleich den Mordbefehl geben? Kann der Meister danach schnell genug seinen letzten Trumpf ausspielen?
»Sehr gut.« Mein Herz steht noch ...
»Du bist hiermit ein Novize des Ordens der Priester von Rathma. Entledige dich deiner Rüstung, entlasse deinen Golem und sage mir den Namen, den du führtest, bevor du dir den eines schrecklichen Verbrechers aneignetest.«
Mein Herz darf weiter schlagen. Der Meister hebt einen Finger ... nein, bitte nicht.
»Eine Sache, bevor ich wirklich Novize bin. Ich danke Euch ergebenst für diese Gelegenheit und gelobe, Euch nicht zu enttäuschen. Denn ich rechne es Euch hoch an, dass ich Euch nicht darauf hinweisen musste, dass mein Tod den Golem zerfließen lassen und das Buch ruinieren würde.« In Ordnung, damit ist diese Trumpfkarte doch ausgespielt ... es geht ja doch nichts über eine Rückversicherung. »Da ich es Euch nicht übergeben habe, nur geliehen, möchte ich, dass es unabhängig von meinem Novizenstatus weiter von ihm bewacht wird. Er wird Euch zu diesem Zweck unterstellt, mit dem einzigen Befehl meinerseits, immer auf den Folianten zu achten. Ist dies akzeptabel?«
»Sprich den Befehl laut und deutlich aus.«
Der Meister lächelt mich entschuldigend an.
Wehe, er hat sich das nicht gut überlegt.
Ich ... hoffe doch.
»Golem, du wirst dafür sorgen, dass der Foliant in dir nie den Kontakt mit dir verlässt. Sollte ich unerwartet sterben, wirst du alles daran setzen, ihn so stark wie möglich zu verschmutzen und unlesbar zu machen. Und, Golem, abgesehen von diesem Befehl wirst du keine weiteren meiner Befehle befolgen und diesem Totenbeschwörer hörig sein, als wäre er dein Meister.«
Ich nicke. Mein neuer Meister nickt auch. »Komm hierher, Golem.« Der Meister beginnt, seine Ausrüstung abzulegen. »Ich nehme die Novizenschaft an. Wie darf ich Euch ansprechen?«
»Ich bin Meister Valtores Aber du schuldest mir noch deinen Namen.«
Mein alter Meister überlegt, überbrückt die Zeit, indem er die Haut des Vipernmagiers abstreift, aber hat auch nach dieser kurzen Pause keine Antwort gefunden.
»Ich bitte vielmals um Verzeihung, aber ich weiß keinen anderen als ... meinen gewählten. Vorher war ich ein Niemand. Man nannte mich Ratte. Schabe. Wurm. Kein Mensch dachte, dass ich einen Namen verdient hätte.«
Neben mir kann der mollige Totenbeschwörer ein Kichern nicht unterdrücken. Dostrian wirft ihm einen eisigen Blick zu - aber ein Grinsen spielt um seine Mundwinkel. Ein Ausdruck, der enttäuscht - oder traurig? - wirkt, tritt auf Valtores' Gesicht. Seine Stimme enthält dennoch keine Sanftheit, als er antwortet: »Dann sollst ein Niemand du bleiben. Nur Rauch, der bald verweht wird. Was ist dies an deinem Gürtel, Novize Neflum?«
Kurz ist der General verwirrt, bis ihm einfällt, wer gemeint ist, denn NefLum bedeutet - Rauch eben. Er hebt den ewigen Milchsack, öffnet ihn und presst ihn aus. Der weiße Inhalt tropft zu Boden.
»Nur Proviant der Reise.«
»In Ordnung. Folge mir nun in die Heimat, die viele Jahre lang die deine sein wird.«
So haben wir nicht gewettet ...
Ach, in spätestens drei Monaten sind wir wieder verschwunden.
Wie ungewohnt optimistisch von dir, wenn man die Umstände bedenkt.
Das sind doch alles Amateure hier.
Mit ungleich mehr Erfahrung.
Leicht hinters Licht führen haben sie sich trotzdem lassen, nicht wahr?
Wenn man es recht bedenkt ... der Schlamm in den Schuhen und an der Hose des Meisters ist schließlich nicht nur lebloser Dreck. Ich wäre normalerweise gut fünf Zentimeter größer ... und es kann natürlich auch keiner wissen, welchen Befehl mir der Meister gegeben hat, bevor wir in den Sumpf aufgebrochen sind.
»In Zukunft, wenn ich einen Befehl mit dem Wort 'Golem' beginne, wirst du ihn komplett ignorieren.«
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