Ich denke, also bin ich
von Simon Salzl aka TwinYawgmoth
Teil 4 - Läuterlodern
Kapitel 22: Warmes Willkommen
Ein wenig vertrauenserweckendes rotes Glühen dringt aus dem Loch im Boden, in das eine gewohnt verdrehte, unregelmäßige und höchst unsichere Treppe führt. Galgenartige Aufbauten umgeben den Bruch in der sonst glatten Landschaft der Hölleplattform, auf der wir stehen, die einzige Art Markierung dafür. Soweit ich das beurteilen kann, sind wir irgendwo in der Stadt der Verdammten, nicht in der Mitte, nicht auf einer markanten Halbinsel der schwebenden Ebene ... wenn wir danach hätten suchen müssen, wären wir lange beschäftigt gewesen.
Der Meister reibt sich das Kinn.
»Und da hat er uns doch tatsächlich nicht angelogen ...«
»Hast du das erwartet?«
»Ich weiß nicht. Für mich ist er völlig undurchschaubar.«
»Wenn ich meine Meinung einbringen darf - er ist kompletter Opportunist, und so durchaus berechenbar. Zuerst versuchte er, Euch durch Taktik zu besiegen. Als dies nicht gelang, wandte er Fallen an, bis sie Erfolg hatten. So viel sogar, dass er Euch lebend unter Kontrolle bringen konnte. Ich denke, sein Plan, Euch direkt durch Eid an ihn zu binden, hat sich nur spontan formuliert. Zuletzt führte auch dies zu Nichts. Das Jade-Tan-Do hätte ihn fast Alles gekostet, darum ist er jetzt zu feige, direkt noch etwas zu versuchen. Stattdessen hofft er, dass Ihr das aus freiem Willen tut, was er eigentlich geplant hatte, dass Ihr unter seiner Kontrolle tut: Diablo vernichten. Er will die Macht übernehmen, koste es, was es wolle. Da Ihr vermutlich nach dem Sieg über Diablo nicht als neuer Höllenfürst hier bleiben wollt, hat er sogar eine sehr realistische Chance, das Ruder zu übernehmen. Mephisto ist aus dem Spiel ... wo Baal ist, wissen wir nicht.«
Stirnrunzelnd sieht der Meister mich an.
»Gar nicht übel analysiert ... aber ein rückgratsloser Opportunist ist er in diesem Fall nicht. Ich bezweifle, dass gar Nichts von dem, was er zu mir gesagt hat, zu Diablo vordringt. Wenn ich versage, wird er Einiges zu erklären haben. Also ist er entweder sehr mutig, oder sehr dumm.«
»So oder so hat er eine ganze Menge Vertrauen in dich.«
»Nun, er hat mich ja ausgiebig getestet, nicht wahr? Wenn irgendeiner unser Gegner eine akkurate Einschätzung unserer Fähigkeiten treffen kann, dann er.«
Er deutet nach unten.
»Egal, was wir von ihm halten sollen, für mich ist er aus dem Spiel. Sein mysteriöser Rivale noch mehr. Wir gehen da runter, finden die Höllenschmiede und dann reißen wir Diablo das schwarze Herz aus der Brust.«
»Darf ich vorschlagen, zumindest zunächst den Wegpunkt zu aktivieren?«
Der Meister stutzt. Ich brauche auch kurz, um das Steinquadrat zu finden; das rote Leuchten in dem ständig vorherrschenden Zwielicht macht Alles schwer erkennbar.
»Oh ... oh ja, natürlich. Wir können auch eine kurze Pause in der Festung einlegen, sicherlich ...«
Als er auf den Wegpunkt zugeht, sehe ich ihn besorgt an. Er hat seine Fähigkeit über die Zeit wirklich perfektioniert, seine Gefühle hinter einer Maske der Zielstrebigkeit und Hingabe an seine Mission zu verbergen. Aber nach dem, was vorhin passiert ist ... muss es hinter dieser Maske rumoren. Er braucht dringend eine Pause, und ich schäme mich dafür, dass ich selbst zu verwirrt bin, um das gemerkt zu haben. Ist ja nicht so, als ob es für mich besonders leicht gewesen wäre. Sorge um Natalya klammert sich schließlich auch an mein Herz, ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es für ihn ist.
»Stadt der Verdammten ... Festung des Wahnsinns.«
Wir stehen wieder in der perfekt klimatisierten Bastion des Himmels. Unenthusiastisch kündigt der Meister uns an.
»He zusammen, wir sind wieder da ...«
Kurz darauf ist Tenarion da.
»Himmel, du warst lange weg ...«
Der Meister verzieht den Mund.
»Es gab viel zu tun ...«
»Das glaub ich dir gerne! Aber dass du hier bist, heißt ja, dass es gut lief, oder? Du hast den Wegpunkt in der Stadt der Verdammten gefunden?«
Der Meister nickt.
»Hervorragend! Gratuliere dir. Ich denke, jetzt willst du dich ein wenig ausruhen?«
Ein Kopfschütteln.
»Ich wollte nur sehen, ob Jamella einen neuen Stab für mich hat. Und den Seelenstein abholen. Der Flammenfluss ist nur eine Treppe entfernt, und mit ihm die Höllenschmiede. Mephistos Seele wird noch heute zerstreut.«
Tenarion blickt so überrascht drein, wie ich mich fühle. Ich komme ihm zuvor.
»Bist du sicher, dass du keine Pause einlegen willst?«
»Vollkommen.«
Und schon geht er die Stufen hinunter, um Jamella aufzusuchen.
»Moment!«
Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter.
»Ich denke, du solltest wirklich für einen Moment kürzer treten. Allein schon, um ein wenig nachzudenken, über was passiert ist.«
»Was ist denn passiert, Golem?«
Idiot.
Reine Sorge spiegelt sich in der Miene des anderen Totenbeschwörers. Der Meister schießt mir einen wütenden Blick zu.
»Nichts ist passiert, Tenarion. Wir ziehen weiter, Golem. Ich bin nicht im Mindesten müde, und ich bin nicht blöd genug, dem Roten auf einmal zu vertrauen. Er weiß genau, wo wir hingehen, und wenn ich jetzt eine Auszeit nehme, wartet sicher Morgen wieder eine Falle auf uns. Hol den Seelenstein.«
Kurz bleibe ich stehen, etwas hilflos, ihm zusehend, wie er mit krampfhaft festem Schritt die Treppe herabsteigt ... dann spüre ich ein warnendes Zucken, das mich zwingt, seinem Befehl nachzugehen.
Tenarion folgt mir.
»Es ist etwas passiert, Golem. Etwas, das ihn sehr belastet, das sieht ein Blinder. Soll ich mit ihm reden?«
Ich seufze, ein Entweichen superheißer Luft.
»Das wäre sehr freundlich von dir, aber ich weiß nicht, was du ihm sagen könntest. Dir zu erklären, was genau ihn bedrückt, würde Stunden brauchen. Die haben wir nicht, wenn er dabei bleibt, gleich weiter zu wollen, und ich weiß auch nicht, ob ihm das Recht wäre.«
»Hm.«
»... Deckard schläft, nehme ich an?«
»Noch nicht lange, aber ja.«
»Ich bin gleich wieder da ... tut mir Leid, ich kann gerade nicht gut warten.«
Lautlos fließe ich in sein Zelt - wo er hoffentlich den Seelenstein aufbewahrt, sonst verletze ich seine Privatssphäre völlig ohne Grund - und suche den verfluchten Kristall. Der Zweite, selbstverständlich, sieht ihn zuerst. Leise greife ich ihn mir und lasse den schlafenden alten Mann ungestört zurück.
Tenarion wartet ein paar Schritte weiter. Ich sehe zerknirscht auf den blauen, halb durchscheinenden Stein.
»So, da ist er, wir brauchen nicht mehr hetzen. Also ... ich denke, ich wäre auf lange Sicht besser für ihn, wenn er sich Zeit zum Nachdenken nehmen würde. Aber das würde ihm auch weh tun. Vielleicht ist er einfach gerade nicht bereit, sich seiner Wut und Trauer zu stellen, und will so einfach weglaufen ...«
»Du machst es mir schwer, nicht neugierig zu sein. Und ja, ich denke auch nicht, dass es auf lange Sicht gut für ihn ist, seine Probleme dadurch zu begraben, dass er sich in seine Aufgabe stürzt. Die Lektion sollte er doch langsam ...«
Er verstummt, da der Meister vor uns aufgetaucht ist.
»Hast du ihn? Schön. In den Würfel damit. Jamella hat sich mal wieder als nutzlos erwiesen ... von Halbu ganz zu schweigen. Bist du bereit?«
»Ich schon, aber was ist mit ...«
»Wir gehen da jetzt runter und treten unheilige Mengen an Dämonenhintern. Bis später, Tenarion. Stadt der Verdammten.«
Und damit sind wir wieder inmitten der Hölle. Das ist doch ... wenigstens, bis ich mich verabschieden konnte, hätte er warten können!
»General, was soll das? Ich kann respektieren, dass du nicht über die ganze Angelegenheit reden willst, aber deswegen musst du dich nicht asozial aufführen. Abgesehen davon, dass ich immer noch denke, dass deine Verschlossenheit nicht gut für dich ist.«
Er verschränkt die Arme und schießt mir einen vernichtenden Blick zu.
»Ich kann gerne so offen sein, wie du willst, Golem. Im Moment bin ich verdammt sauer auf diese ganze beschissene Hölle, ihre Methoden, wie sie versucht haben, mich zu erpressen, es fast geschafft hätten, und wozu sie mich letztlich gezwungen haben. Ich will Dämonen töten, jetzt, viele, und am liebsten gleich ihre Bosse mit den eigenen Eingeweiden erwürgen. Das ist nicht alles. Trauer ist auch ein Faktor, ja. Ich spüre, wie sie gleich um die Ecke lauert. Das kann ich ganz rational sehen. Natürlich wird sie kommen. Vielleicht heule ich später wie ein Schlosshund, aus Angst, Ungewissheit, Natalya doch für immer verloren zu haben, und dann auch noch durch meine Hand. Aber das ist im Moment noch weit entfernt. Jetzt habe ich nur Wut im Bauch, und ich will und werde sie füttern. Keine Pause, vergiss es. Wir gehen da jetzt runter und töten Alles, was sich bewegt. Wenn du eine Pause brauchst, kannst du ja gerne nach Hause gehen.«
Jetzt weißt du Bescheid.
Ohne auf eine Antwort zu warten, dreht er sich um und steigt die Treppe herab. Schnell reiße ich mich aus meine Starre und laufe ihm nach.
»Lass mich wenigstens vorangehen!«
»Na also.«
Wir steigen herab. Bald umgibt uns nur noch das rote Leuchten. Und es wird heißer. Ich versuche, mir noch eine Bemerkung zu verkneifen, aber schaffe es nicht.
»Und trotzdem rennst du vor deinen Gefühlen weg.«
Er braucht kurz, um zu antworten.
»Dann habe ich halt Angst, mich ihnen zu stellen. Wolltest du, dass ich das zugebe? Bist du jetzt glücklich?«
»... nein.«
»Warum hakst du dann nach, hm?«
Das bringt mich zum Schweigen, und ich weiß nicht so Recht, ob ich mich schämen soll oder ob wir einfach beide irgendwie Recht haben. Ich gehe noch nicht einmal so weit, zu denken, dass er komplett im Unrecht sein könnte ... ich bin selbst zu aufgewühlt für rationale Gedanken.
Zur Hölle, ihr seid beide rational genug, um zu wissen, dass ihr gerade halb am Durchdrehen seid. Das ist doch eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Normalzustand.
... danke, Zweiter.
Das war eine Beleidigung! Sie verdient keinen Dank! Ich ändere meine Aussage zu 'völlig am Durchdrehen', verdammt!
Was immer du sagst.
Plötzlich tut sich unter mir ein Loch auf, als die Treppe in eine Öffnung mündet, die offenbar eine ... Höhle? ... unter der schwebenden Platte der Stadt der Verzweiflung darstellt. Ich erreiche den Grund.
Um mich herum ist Magma. Oder Lava. Sie fließt offen, aber unterirdisch. Was solls. 'Flammenfluss' ist ganz offensichtlich wörtlich gemeint. Der feste Boden ist nur etwa fünf Zentimeter höher als der See aus geschmolzenem Gestein, das ihn umgibt. Dieses fließt träge vor sich hin, die Richtung ist nicht eindeutig. Glühen tut es wie lichterloh brennendes Feuer, darum ist es taghell; wahrscheinlich bringt noch nicht einmal ein frisch ausbrechender Vulkan derart strahlende Lava zustande.
Was an Land da ist, ist eine sich von der Treppe aus relativ eng erstreckende Zunge, mit sehr unregelmäßigem Rand und alles andere als gerade. Es sieht so aus, als müsste der Untergrund aus demselben undefinierbaren braunen Material, aus dem auch die anderen Ebenen bestanden, innerhalb von Sekunden schmelzen, aber das tut er, soweit ich das erkennen kann, nirgendwo; auch die verstreuten Inselchen abseits des Hauptweges scheinen nicht durch abtrennende Lavaströme entstanden zu sein, sie sind einfach da, wie auch die schwebenden solchen weiter oben.
Außerdem ist es nicht annähernd so heiß, wie es sein sollte.
»Heilige Scheiße, ist das verdammt noch mal heiß hier!«
... aber trotzdem wirklich verdammt heiß, ja.
»Du hast es gut, Golem. Gah. Wenn ich bedenke, dass meine Schuhe und die Rüstung sogar noch extra Resistenz bieten ... und ich trotzdem schwitze wie ein Schwein ...«
»Tut mir Leid für dich.«
»Was habe ich auch erwartet von einem Ort, der 'Flammenfluss' heißt? Hat keinen Sinn, sich zu beschweren. Wir bringen das hier einfach so schnell als möglich hinter uns.«
»Wenigstens müssen wir den richtigen Weg nicht suchen ...«
Damit hat die Konversation sich erschöpft.
Bald treffen wir auf Widerstand. Der Weg wird blockiert von gigantischen Muskelbergen; keine neue Erscheinung, aber das ausgewaschene hellblau ihrer Körper ist neu.
Der Zweite liefert seine Beschreibung ausnahmsweise laut; er wird mutiger im Umgang mit dem Meister.
»Das sind Urdars, die meines Wissens höchste Entwicklung der Tölpelträger. Sie sind absolute Elitetruppen.«
»Meine auch. Lasst die Vernichtung beginnen.«
Sind sie denn schneller als die anderen Varianten?
Etwas so Dickes wird sicher nicht schneller; stärker sind sie.
Na dann ...
Ruhig gehe ich auf die Gruppe zu. Ihre gewaltigen Knüppel sind aus Stein geformt; Holz wäre leicht gefährdet hier unten, nehme ich an. Dann müssen sie wirklich stärker sein, sonst könnten sie die gleich gar nicht heben. Einer von ihnen ist grünlich getönt; er tritt nach vorne. Seine Stimme ist ein dunkles Donnern.
»Ihr werdet hier niemals vorbeikommen.«
»Einspruch.«
Ich zerfließe zur Pfütze, schlängle mich nach vorne, an Baumstammbeinen vorbei, zwischen zweien hindurch, und stehe plötzlich hinter ihnen, bevor sich auch nur einer von ihnen umgedreht hat.
»Seht ihr? Schon vorbei.«
Ich warte eine Sekunde, bis ich weiß, wer am schnellsten denkt und sich zuerst umdreht, dann wachse ich vor ihm in die Höhe, meinen Körper verschlankend, forme meine Arme in Flammenspeere und ramme sie dort gegen seinen gesichtslosen Kopf, wo die Augen wären.
Zunächst prallen die Flammen von ihm ab, was mich etwas überrascht. Aufheulen lässt es ihn aber trotzdem. Also packe ich seinen Nacken mit einer schnell gebildeten Hand, ziehe mich an ihm hoch und pumpe all meine Hitze in den anderen Arm.
Nach kurzer Brennzeit dringt das Feuer aus seinem Hinterkopf. Geht doch.
Noch im Fallen zerfetzt es die frische Leiche. Manche von den Urdars stolpern direkt in die Lava, was sie nicht allzusehr zu beeindrucken scheint; die auf Land gefallenen dagegen werden von Skeletten überschwärmt, als wären es Ameisen, und ein rechtes Gemetzel nimmt seinen Lauf.
Der Held hat sich auf den Beinen halten können und setzt jetzt dazu an, auf den Meister zuzustürmen.
Ich strecke meine Arme, verschränke die Hände und ziehe. Er stolpert in meiner Schlinge und stürzt wie ein gefällter Baum.
»Unten bleiben.«
»Du wirst ...«
Drei Eisbolzen schlagen in ihn ein, was seine Bewegungsfreiheit deutlich behindert. Der Meister tritt vor ihn.
»Elitetruppe, hm?«
Das Jade-Tan-Do wirkt seine grausame Magie. Versuchsweise hat der Meister ein paar Skelette direkt in die Lava geschickt; es scheint ihnen überhaupt Nichts auszumachen. So ist der Rest der Gegner auch schnell Geschichte.
Jetzt, wo sie tot sind, schützt sie anscheinend Nichts mehr vor der Lava. Ihr großzügig vorhandenes Fett verbrennt in dicken, schwarzen Rauchwolken.
»Himmel, bloß weg hier.«
Ich beeile mich, der Forderung des Meisters nachzukommen; sicherlich stinkt es ganz erbärmlich.
Bald später erweitert sich der begehbare Bereich zu einer größeren Insel; es führt dennoch nur ein Weg von ihr herunter, geradeaus weiter. Dieser ist aber durch eine zuckende, schwarze Masse blockiert.
»Sind das ... Felswürmer?«
»Blutwürmer. Auch mit diesen ist nicht zu spaßen.«
»Diese verdammten Wadenbeißer.«
Der Meister ruft ein Skelett und lässt es um seine Füße zerschmelzen, was ihm strahlend weiße Beinschienen liefert. Wie ich sehe, haben die Würmer schon Eier gelegt ... der Meister lässt die Skelette vorlaufen.
»Schnell, bevor sie schlüpfen!«
Die pechschwarzen, von Adern überzogenen Kuppeln platzen auf, eine jede um die vier kleine Maden freigebend.
»... na toll.«
Mit überraschender Geschwindigkeit schwärmen sie auf uns zu - und die Elterninsekten legen schon neue nach. Die Skelette werden einfach umgangen; sie schlagen um sich, aber die paar zerquetschten Gegner sind nur Tropfen auf sehr heißen Steinen. Die Flut nähert sich.
»Golem, ich glaube, du musst etwas Flächenschaden beisteuern.«
»Nur zu gerne.«
Ein Feuerball löst sich aus meinem linken Arm, schlägt inmitten der nächsten Würmer auf und zerbirst. Chitinpanzerstücke fliegen in alle Richtungen. Ich schieße weiter, aber merke bald, dass die Geschosse immer schwächer werden; meine Energiereserven gehen zur Neige ...
Was nun wirklich nicht sein muss hier. Lass mich mal.
Der Zweite übernimmt; sofort streckt er den Körper zur Seite und ein Bein direkt in den Lavastrom. Gewaltige Hitze von ihm schockt mich kurz, aber schnell mache ich mir klar, dass mein Temperaturempfinden in dieser Form nur theoretisch ist. Das geschmolzene Gestein ist sicher heißer als ich - aber was soll es denn verbrennen?
Beide Arme hält der Zweite jetzt vor sich, während die Wurmwand gefährlich nahe kommt ... da zischen zwei dicke Feuerströme aus meinen Händen. Sicher zwei, drei Meter lang sind die Stichflammen, die er methodisch hin und her wandern lässt. Die Insekten zerplatzen in Scharen.
»Golem, das ist schön und gut, aber der Strom hört nicht auf! Die Skelette kommen nicht durch. Mach dich an die Quelle. Grill diese Gebärmaschinen.«
»Und was wird aus dir?«
»Ich komm schon zurecht. Wenn du schnell machst. Los!«
Ich bin skeptisch, aber hoffe, dass er nicht nur überheblich ist. Der Flammenteppich ist hierfür die richtige Wahl; er kann eine Schneise brennen ...
Wenn du nicht über die Lava rollst, kostet dich das zu viel Energie. Mach lieber große Schritte als Feuersäule.
Da muss ich deiner Erfahrung vertrauen ... aber dann kommen weit mehr zum Meister durch ...
Such dir die schwärmenden Haufen, wo die Skelette begraben sind. Wenn wir von einem zum anderen springen, können wir etwas Druck von der Front ablenken.
Dem Rat folge ich sofort. Die Skelette können sich sicher nicht allzu lange halten, sobald die Würmer sich wieder an deren Position verdichten, aber dafür müssen sie ihren Strom kurz ableiten ... was mir genug Zeit geben sollte.
»Nehmt das, ihr Biester ... und das ... ja, es ist genug für Alle da!«
Häufiges Knacken verrät mir, dass der Meister seinen Fußschutz gut zu gebrauchen weiß. Aber es sind viel zu viele ... Himmel, es hat keine Minute gedauert, und die ganze Insel ist überschwärmt! Das ist Wahnsinn!
Meine Warnung war nicht aus der Luft gegriffen.
Aber jetzt haben wir die Eierleger erreicht! Sie zischen, versuchen, ihre Brut zu verteidigen. Hacken nach mir mit gifttriefenden Fängen. Ich lasse sie. Schlage zurück. Schleimige Insekteneingeweide fliegen um mich herum, klatschen gegen die dünne Hülle, die mein Feuer vor dem Ausbrechen hindert; für einen Sekundenbruchteil schalte ich diese ab und reinige mich komplett. Es ist kathartisch. Das heilige Feuer vernichtet die Dämonenbrüter ohne den Hauch einer Chance ihrerseits. Was aber ist mit der Brut selbst ... ? Ist der Meister sicher?
Kleine Explosionen in schneller Folge wie das Platzen von Würstchen auf dem Grill verraten mir, dass ich mir wohl unbegründet Sorgen gemacht habe.
»Und das sollte mehr als genug sein für Alle von euch!«
Die ganze Insel leuchtet auf in orangem Feuer; unzählige sich windende kleine Körper sind überstrahlt vom Halo des verstärkten Schadens. Der Meister wirft eine handvoll halbwegs intakte Wurmkadaver in die Mitte, hebt die Wand der Augenlosen vor sich und sieht weg.
Scharen von zerschmetterten Ekelwesen werden in die Lava geschleudert. Der ganze Boden ist ein einziger Schleimsee. Nichts regt sich mehr.
Ich kehre zum Meister zurück, mit gewisser Sorgfalt und schlurfendem Schritt eine saubere Schneise brennend. Das Epizentrum der Explosion hilft mir dabei.
Er wischt sich gerade Schweiß von der Stirn. Wenn er den Helm nicht aufgehabt hätte, hätte es auch etwas anderes sein können ... wie ich feststelle, hat er den Fußschutz bis auf seinen Oberkörper ausgeweitet. Gut so, sonst müsste er die Haut des Vipernmagiers jetzt dringend reinigen lassen. Auch auf den glatten Knochen klebt einiges an Unaussprechlichem.
»Da ist man in einer Höhle voll sauberem, ehrlichem Feuer, und dann sowas. Mir ging die ganze Sache vorher schon gewaltig auf den Geist, aber meine Laune wird wirklich nicht besser.«
»Lass mich mal.«
Ich lass meine Hände über seine Brust wandern. Vorsichtig lockere ich dabei die Feuerbarriere.
»Ist das zu heiß?«
»Spür ich schon gar nicht mehr. Aber auch hier ist der Geruch nicht wirklich angenehm.«
»Oh, Entschuldigung ...«
»Aber mach weiter. Ist mir lieber, als den Giftschleim auf der Rüstung zu haben, und die behalte ich für eine Weile. War teuer genug; aus dem Schmodder kann ich keine Skelette nachbauen. Wir sind etwas reduziert, gefällt mir nicht, aber was solls.«
»Gehen wir doch zurück und du formst welche aus Urdarleichen ...«
»Damit dieser Brückenkopf erneut besetzt wird? So schlimm ist es nicht. Der Weg führt nach vorn.«
Es fehlen ja auch nur drei ... zwei davon Magier. Das ist ja hoffentlich verschmerzbar.
Wieder fünf Minuten Wegs weiter, wovon jeder Schritt den Meister sichtlich Unbehagen bereitet - er trinkt ohne Pause aus seinem ewigen Milchkrug - erreichen wir die erste Kreuzung. Angedeutete Torbögen, noch ruinierter als die Gebäude auf der darüberliegenden Ebene, stehen geradeaus und links; rechts wird der Weg zu einer eng gewundenen Landzunge. Die anderen Richtungen sind, bisher hier ungesehen, begradigt, der Flammenfluss sauber eingemauert. In der Mitte eines rechteckigen Lavabeckens erhebt sich eine umwandete Struktur, als wäre der heiße Strom ein Burggraben. Dünne Brücken führen hinein.
»Sieht irgendwie wichtig aus ...«
Der Meister nickt.
»Mh-hm. Aber so ... beliebig. Wie Alles hier. Und nicht wirklich groß. Lass uns mal durch ein Tor blicken.«
Sobald wir den Blick über eine Brücke werfen können, wird klar, dass das Gebäude zwar wichtig aussieht, dies aber sicher nicht ist. Im Inneren, was es schon erleuchtet, ist ein quadratisches Lavabecken, sonst wenig außer wenig vertrauenerweckendem Boden; im Gegensatz zu den solide wirkenden Mauern ist er stellenweise gesplittert, und Flammen züngeln durch die Lücken.
»... also lassen wir das. Kannst du eigentlich nach rechts was erkennen?«
Ich bemühe mich, aber die Hitze lässt die Luft verschwimmen und macht Fernsicht unmöglich.
»Eine erhobene Struktur in der Weite, vielleicht?«
Der Meister überlegt.
»Das hier ist offensichtlich nicht die Höllenschmiede. Schade, ich hatte schon zu hoffen gewagt. Lass uns nachsehen, wohin dieser enge Pfad uns führt, den man offenbar nicht wirklich gehen soll. Ich traue den wahnsinnigen Architekten dieses Ortes zu, genau dahin den wichtigsten Platz gelegt zu haben.«
Der einzige Architekt, der hier zugange war, heißt Zufall.
Dann können wir auch beliebig in diese Richtung gehen ...
was bisher geschah - im Rich Text Format runterladen 400kB
Teil 1 komplett als *.pdf runterladen 640kB
Teil 2 komplett als *.pdf runterladen 840kB
Teil 3 komplett als *.pdf runterladen 840kB
Feedback jeglicher Form könnt Ihr via Mail über diese Adresse schicken.