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Ich denke, also bin ich

von Simon Salzl aka TwinYawgmoth

Teil 1 - Tönerne Taufe

Kapitel 67: Knochenasche

Ich hab versehentlich seit einiger Zeit eine abweichende Nummerierung als die Veröffentlichung im FAS verwendet. Eigentlich ist dieses Kapitel die echte Nummer 67. Ab dieser Seite wird die Nummerierung analog zum FAS weitergeführt, sowohl online als auch im *.rtf Dokument. Da sich das Kapitel dem Ende nähert, ist der Aufwand, sämtliche Einzeldokumente auf den Fehler hin zu prüfen, den Aufwand nicht wert. Bei Abschluß des Kapitels werde ich nur noch ein komplettes *.pdf anbieten
Und nun Viel Spaß beim Lesen
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Mit festem Schritt und schwingenden Armen schreite ich belebt und froh dem Meister nach, der sich vor dem Altar nach links gewandt hat.

»Halt!«

Fast stoße ich in ihn, als er auf Kaschyas Ausruf hin stehen bleibt; aber ich habe ja gute Reflexe.

»Was ist los, Kaschya?«

Der Meister sieht sich nervös um.

»Nichts ist los, aber falls du dich nicht in der Sakristei umziehen möchtest, sollten wir lieber nach rechts gehen, weil es da zu den Katakomben geht.«

Der Meister nickt bedächtig.

»Klingt irgendwie logisch ... «

Also gehen wir erneut anders gerichtet am Altar vorbei, als wir auf ein Rudel schwarzhäutiger Dämonen von der Gestalt Gefallenere samt Schamanen treffen.
Die übliche Vorsicht, die mich bei einem Kampf immer erfüllt, wird diesmal noch zusätzlich durch das Bewusstsein meiner Lebendigkeit verstärkt. Mir fällt ein, das ich allerdings nicht zu vorsichtig sein darf; der Meister verlässt sich auf die selbstaufopfernde Kampfweise seiner Diener, und diese vermissen zu lassen könnte ihn einerseits misstrauisch machen - misstrauischer, als er es eh schon ist, und das kann ich gar nicht gebrauchen - andererseits könnte er sich so darauf verlassen, dass zu wenig Einsatz meinerseits schleicht tödlich wäre.
Demnach werfe ich mich den dunklen Kreaturen wie üblich entgegen, wohl wissend, dass sie mir eigentlich nichts anhaben können. Zumal die Skelette abermals wie ein warmes Messer durch Butter ihre Reihen zerteilen.
Fliegende Feuerbälle im Getümmel allerdings erinnern mich nur zu gut daran, wer wirklich gefährlich werden kann hier.
Diese Flammenkugeln sind den Knochenkriegern zwar absolut egal (mittlerweile), mir aber eher weniger. Darum schnappe ich mir einen Gefallenen, breche ihm schnell das Genick, und gebe dem Meister ein Zeichen des Zerplatzens. Die Leiche werfe ich dem Schamanen vor die Füße.
Dieser hat allerdings recht gute Reaktionen, kaum hat der tote Gegner meine Klauenhand verlassen, schwingt er die Spitze seines Stabes im Kreis herum und belebt den Toten in der Luft wieder.
Mist. Na ja, viel Spaß bei der Landung! Diese schwarzen Ratten mit ihren nutzlosen Schwertern beginnen allerdings zu nerven. Also töte ich ein paar von ihnen, hoffentlich schneller, als sie wieder aufstehen werden.
Was sie aber nicht tun. Warum ... ?

»Golem!«

Ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu wissen, was geschieht; der Schamane hat einen Feuerball abgeschossen, statt wiederzubeleben. Darum werfe ich mich auf den Ruf des Meisters auch sofort hin, worauf das Geschoß über mich hinwegzischt und in den Altar einschlägt, der darauf leicht vibriert. Nun allerdings schießt Kaschya auf den Schamanen. Die ehemalige Wurfleiche vor ihm springt auf und nimmt den Pfeil statt seines Anführers in den Hals. Diese Dämonen können es sich leisten, zu sterben!
Sein Opfer nützt dem Schamanen aber weniger, da die tote dunkle Kreatur nur Zentimeter vor ihm explodiert. Danach ist er nicht mehr in der Lage, Jemand wiederzubeleben, wenn er nicht erst einmal selbst seine Überreste zusammenkratzt.
Zufrieden mit dem Ausgang des Kampfes - und meinen ganz persönlichen wachsenden Reflexen - drehe ich mich vom Altar weg und schreite den Menschen auf dem Weg zum Abgang in die Katakomben voran, den ich schon sehen kann.
Da knallt es lauf, Echos hallen durch die Kathedrale, begleitet von Knirschen und Klirren.
Ich fahre herum. Der Deckel des Altares ist aufgesprungen, heruntergefallen und zerbrochen. Zwei knöcherne Arme haben ihn hochgestoßen. Die Hände packen den Rand des Sarges, der einst als Altar gedient hat, und ziehen einen grinsenden Totenkopf, thronend über leerem Brustkorb, aufrecht. Blitzschnell springt der von dem Feuerball des Schamanen gestörte, von grünem Moder überzogene Untote aus seinem Ruheplatz heraus, er ballt die Hände zu Fäusten.
Zwischen seinen Fingern erscheint ein grüner Schimmer. Er reißt sie auseinander, da explodiert der kleine Lichtpunkt, der das Schimmern erzeugte. Ich packe den Meister, der in den bisherigen zwei Sekunden seit dem Aufschlagen des Altar - / Sargdeckels noch keine Gelegenheit fand, zu reagieren. Als ich ihn beschützt hinter mich gestellt habe, merke ich aber, dass mein Einsatz nicht allein potentiell gefährlich (und damit eher dumm) für mich, sondern zudem auch noch unnötig war.
Grüne Sphären schimmern an beiden Armen des Skelettes, die Hände mit ihrem Glanz völlig verdeckend. Jetzt erkenne ich es als das, was es ist: Ein Skelettmagier, nur eben grünlich schimmernd, den Kugeln gleich. Es ist kein Moos oder Moder, wie ich ursprünglich dachte, die Knochen sind grün wie gefärbt. Ein Held.
Fasziniert öffnet der Meister den Mund.

»Wunderschön ... «

Da führt unser Gegner seine grünen Kugeln zusammen. Sie blitzen auf, und aus ihnen löst sich ein Geschoß. Seltsam träge, wie in Zeitlupe und doch viel zu schnell, schießt ein Pfeil aus grünem Glühen, sich windend wie eine Schlange, auf unsere Gruppe zu.
Er schlägt in ein Skelett ein, das zum Glück halb vor dem Meister stand, eine Rippe treffend und darin verschwindend.
Sofort erstarrt unser Krieger zu Eis. Damit nicht genug! Das helle Schimmern des von der Knochensubstanz absorbierten Geschoßes breitet sich von der Einschlagsstelle her aus. Das kalte Blau des Eises wird vom hellen Grün ersetzt, aber immer noch ist das Skelett erstarrt. Dann, als der letzte Rest von Blau gerade ein paar Augenblicke verschwunden ist, bewegt sich das nunmehr grüne Skelett auf unseren Gegner zu, der wie abwartend dasteht.
Und der Rippenknochen, der die Einschlagsstelle war, verschwindet, er löst sich einfach aus. Das grüne Gift entfaltet eine Säurewirkung, und nach nur wenigen Schritten ist unser Skelett nur noch ein Häufchen Asche.
Knochenasche. So werde ich unseren Gegner nennen.
Nun aber lösen sich Alle aus ihrer Starre. Kaschya reißt einen Pfeil aus ihrem Köcher, der Meister brüllt Angriffsbefehle. Zwei Skelette von links und zwei von rechts stürzen sich auf Knochenasche, eine Schussgasse für Kaschya lassend.
Ein Gifteisgeschoß hält ein linkes Skelett auf. Darauf habe ich gewartet und den ersten Angriffsbefehl des Meisters ignoriert.
Unseres Gegners erster Angriff links bedeutet, dass er jetzt wohl rechts angreifen wird, und wenn er dabei nicht aufpasst, erledigt ihn Kaschyas Pfeil sofort. Auf jeden Fall aber habe ich wertvolle, unbehelligte Sekunden, die ich links vormarschieren kann.
Als der erstarrte Knochenkrieger zuerst die Kälte abschüttelt, dann aber zerfällt, fliegen Giftgeschoß und Pfeil gleichzeitig los. Knochenasche lässt sich sofort eher ungelenk zu Boden fallen, aber das reicht, um ihn zu retten.
Unser Skelett ist dumm, darum wird es getroffen. Zwei von ihnen noch auf unserer Seite. Und ich. Unser Gegner schießt jetzt erst einmal nicht mehr, weil er aufspringen und davonlaufen muss; die Skelette im Nahkampf wären sein Ende, auf jedem Fall mit dem Verstärkten Schaden.
Ich setze ihm schnell nach, vorsichtig, natürlich, aber nicht übervorsichtig. Oder?
Da höre ich einen Pfiff von hinten. Ich fahre herum, gerade noch aus den Augenwinkeln das Bodenpflaseter an der Stelle grün aufleuchten zu sehen, wo ich mich ohne den schrillen Ton gleich befunden hätte. Ah, das war zu knapp für meinen Geschmack!
Der Meister winkt mich zu sich. Was will er jetzt? Als ich zu ihm gehe, erfahre ich es.

»Pass auf, so wird das Nichts. Ich traue dir das jetzt mal zu, und hoffe, dass ich nicht einen großen Fehler begehe. Lock den Typen direkt neben oder am besten auf eine Leiche. Dann BUMM! Schaffst du das?«

Ah, das ist tatsächlich guter Plan. Aber das kann der Meister ja. Ich nicke. Das sollte kein Problem darstellen.

»Na, wir werden sehen. Wir verstecken uns hinter dieser umgestürzten Bank, du rennst zu ihm, fliehst wieder, Leiche, BUMM. Klar?«

Völlig. Auf meine Bestätigung scheucht der Meister Kaschya hinter die besagte umgestürzte Sitzkonstruktion, und ich renne zur Kreuzung des Mittelgangs mit den Seitenschiffen. In das rechte hat sich Knochenasche vor Kaschyas Pfeilen zurückgezogen, verfolgt von zwei Skeletten. Habe ich womöglich gar nichts mehr zu tun?
Natürlich nicht! Nur einen Meter von der Ecke entfernt, die ich gerade umrundete, schlurft der Feind auf eben jene zu. Sofort weisen Giftkugeln auf mich.
Wohl wissend, dass ich es ohne großes Risiko nicht schaffe, ihn einfach sofort zu erledigen, und dies auch nicht in den Plan des Meisters passen würde, falls ich versagte (faule Ausrede, ich will schlicht nicht sterben ... ), springe ich einfach zur Seite.
Aber einen Tonklumpen schieße ich noch in seine leere linke Augenhöhle, damit er mir sicher wütend nachkommt, denn jetzt gebe ich Fersengeld.
Hinter mit klicken knöcherne Fußsohlen auf kaltem Kathedralenboden. Sehr gut! Auch meine Entscheidung, ein paar Haken zu schlagen, denn Knochenasche kann auch im Laufen schießen. Was mir diverse dicht vorbeifliegende Giftkugeln deutlich klarmachen.
Die Leiche einer dunklen Kreatur liegt links vor mir, rechts die umgestürzte Bank. Hinter mit der Tod. Ich springe, hetze, weiche aus. Da verharrt das Klicken. Verdammt, hat Knochenasche die Falle bemerkt? Ich werfe mich rollend zu Boden, um im Ausweichen einen Blick auf die Situation zu erhaschen.
Diese ließe mir das Blut in den Adern gefrieren, hätte ich welches. Oder Adern.
Der Meister ist aufgestanden, um die Leiche zum richtigen Zeitpunkt in die Luft fliegen zu lassen.
Und Knochenasche hat ihn bemerkt. Der Totenbeschwörer und das Skelett stehen sich für eine endlos lange Sekunde gegenüber, regungslos in einem Ausdruck der Überraschung vereint.
Dann geschieht alles gleichzeitig. Der Meister hebt seinen Stab, der Gegner seine Kugeln, und ich stürze los.
Zeitlupenhaft komme ich der Mitte zwischen den Kontrahenten näher. Genauso langsam scheint das tödliche Giftprojektil sich diesem Punkt zu nähern. Aber ich muss es schaffen, vorher dorthin zu gelangen. Den Meister mit meinem Leben zu schützen.
Ich schaffe es! Springend hänge ich für einen sehr langen Augenblick in der Luft, der sich zu dehnen scheint. Ich muss nur die Hand ausstrecken, um das Geschoß abzufangen.
Ich lande am Boden, meine Hand umklammernd.

Nein. Nein, verdammt.

Ich starre auf die spitzen Klauen, unversehrt mir braun und tönern entgegenstarrend. Warum?
Warum konnte ich es nicht tun? Das Geschoß fliegt in diesem Augenblick weiter auf den Meister zu. Es wäre so leicht gewesen, es aufzuhalten. Der Meister wäre gerettet, und ich tot.
Da haben wir es. Ich will nicht sterben. Irgendwie muss sich dieser Gedanke als Überlebensinstinkt in mein Unterbewusstsein gegraben haben. Oder ... ?
Der Meister keucht auf. Schluss mit den Gedanken ... es hat ihn erwischt, das Gift wird ihn töten. Und ich bin dann auch tot, verdammt! Die Rettung meines Lebens war so sinnlos, so unglaublich umsonst. Ich begrabe mein Gesicht im kalten Steinboden, das Ende erwartend.
Da zischt etwas über mich hinweg, was meine Rückseite unglaublich kalt werden lässt. Ich kenne das Gefühl.
Mein Kopf zischt zur Seite. Da liegen Knochenasches grüne Knochen, ein dunkleres als bisher. Eine Blauschattierung ist aus ihnen gewischen, zu einer Kältenova geworden wie schon bei Kaltkrähe.
Ein gefrostetes Skelett steht über ihnen, den Morgenstern noch halb erhoben, die Bewegung konserviert zum Zeitpunkt von Knochenasches kaltem Ende. Die Leiche der dunklen Kreatur liegt zerfetzt und knochenlos da, und ich erkenne, dass das Heben des meisterlichen Stabes wieder eine geniale Improvisation seines Plans binnen eines Augenblicks bedeutete.
Nun, da mein Kopf schon gehoben ist, kann ich auch nach der anderen Seite sehen ... wenngleich dies wohl nur tiefere Schuld verursachen dürfte.


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