Ich denke, also bin ich
von Simon Salzl aka TwinYawgmoth
Teil 5 - Trang Ouls Triumph
Kapitel 05 - Samen des Wandels
Nach mehreren großen Schlücken aus dem Milchbeutel hat der Meister sich einigermaßen beruhigt. Ich habe geduldig vor ihm auf dem Tisch gewartet. »Mist, Mist, Mist«, flucht er. »Ich dachte, sie passen auf auf ihre Novizen, dass da nicht einfach so einer reinspazieren kann ... was machen wir jetzt? Wer auch immer das hier abgezogen hat, wird es doch sicher nicht bei einem Versuch belassen.«
Ich schiebe ihn den Zettel hin, den das Skelett fallen hat lassen. »Wir wissen genau, wer das war.«
Tod dem falschen 'General', der es wagt, unsere Hallen zu entweihen steht darauf. Der Meister runzelt die Stirn, beugt sich darüber, dann schüttelt er den Kopf. »Das ist ja wohl der langweiligst mögliche Inhalt. Wie kannst du daran den Auftraggeber ablesen?«
»Es ist die Schrift von Ingkrias' Golem«, informiere ich ihn grimmig. »Die kenn ich mittlerweile sehr genau.«
Er pfeift durch die Zähne. »Das ist ja mal interessant. Hübsche Lettern hat er ja. Aber als Beweis wird das eher weniger taugen. Ganz abgesehen davon, dass ich nicht unbedingt zu irgendeinem Meister laufen will und ihm oder ihr sagen will 'Verzeihung einer aus eurer Runde will mich umbringen, hoffentlich du nicht auch, gebt mir einen Schlüssel, damit ich die Tür zusperren kann bitte'. Nachher will mich jeder von denen tot sehen.«
Ich denke kurz nach. Es wäre eine Möglichkeit ... aber nein, die beiden können sich eindeutig nicht ausstehen. »Meister Valtores könnte ein guter Ansprechpartner sein. Das wollte ich dir die ganze Zeit schon sagen, aber dann hat Lixt mich entführt ... «
In den knappen Worten des Zweiten, der viel besser im trockenen Zusammenfassen ist als ich, erfährt der Meister von den Ereignissen der vergangenen Nacht. Was ihn ziemlich überrascht - und dann wütend werden wird.
»Ich glaub es einfach nicht. Diese Ratte hat uns doch tatsächlich verraten«, presst er zwischen den Zähnen hervor.
»Du denkst also auch, dass Dostrian bei Meister Valtores war.«
»Hör auf, ihn Meister zu nennen, sonst fang ich noch an zu glauben, dass er dich tatsächlich befehligt! Ja, natürlich denke ich das. Er ist so ekelhaft brav und korrekt, ich hab von vorneherein Angst gehabt, dass er die Klappe nicht halten kann. So, wie er den Musterschüler gibt ...«
«... was er sicher nicht aus komplett uneigennützigen Gründen tut«, wirft der Zweite ein.
»Ich sehe, wir verstehen uns«, antwortet der Meister. »Und doch hätte ich gedacht, dass ich auch ihn in der Tasche habe ... wenigstens hat Valtores offenbar nicht sofort beschlossen, mich um die Ecke zu bringen. Da er sich ja wohl ganz schwer denkt, dass wir in Kontakt stehen, wäre es ja völlig bescheuert von ihm gewesen, mich zu warnen, nur um mich dann doch hier erwarten zu lassen. Mit meinem eigenen Dolch, wie symbolisch!«
Ich bin zerknirscht. »Tut mir auf jeden Fall sehr Leid, dass ich es dir erst jetzt sagen konnte. Wenn er dich heute schon ausgefragt hätte über deine wahren Motivationen ...«
Der Meister winkt ab. »Zu auffällig außerhalb des Unterrichts, und ich hatte heute keine Beschwörungslektionen.«
Wusste ich, sonst hätte ich niemals zugelassen, dass Lixt uns mitnimmt.
»Im Gegenteil, ich bin sehr stolz auf euch beide«, fährt der Meister fort und lächelt aufmunternd. »Das hätte weitaus ekelhafter ausgehen können, jeder von euch hat gut gedacht und die Sache gut gemacht. Mit dem, was du, Zweiter, dir aus den Fingern gesaugt hast, kann ich prima arbeiten, klingt logischer, als was mir spontan eingefallen wäre. Quasi Selbsthypnose durch jahrelanges Training, bis ich unterbewusst überzeugt bin, nicht in der Hölle zu landen ... das könnte sogar funktionieren. Wenn ich Jahre Zeit hätte, und nicht noch irgendwo ein Großes Übel herumlaufen würde.«
Er trommelt mit den Fingern auf das Papier mit der Nachricht, die das Skelett wohl neben seiner Leiche hinterlassen hätte. »Aber zurück zu Ingkrias Denkst du nicht, dass es ein wenig auffällig ist, ein Blatt Papier mit Schrift zu hinterlassen, die sogar du als seine erkennst? Ich glaube nicht, dass er das selbst in Auftrag gegeben hat. Das will ihm doch einer anhängen.«
»Du verstehst nicht«, widerspreche ich. »Seine eigene Schrift ist ganz anders - das hat der Golem geschrieben.«
»Mit dem du dich unterhalten hast.«
»Mehr oder weniger.« Und während ich weiter rede, kommt mir erst langsam, was das bedeutet. »Außer mir und Ingkrias selbst weiß niemand, dass das die Schrift seines Papiergolems ist. Vielleicht wusste Ingkrias das bis heute auch nicht. Das ist in der Tat gedacht, um den werten Meister ganz klar in Verdacht geraten zu lassen ... aber nur für uns.«
Der Meister runzelt die Stirn. »Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.«
»Ingkrias' Golem kann sich seinen Befehlen nicht widersetzen. Aber er konnte uns so, mit der einzigen Möglichkeit, die er hatte, als ihm sein Meister sagte, er soll eine andere Schrift als die übliche benutzen, eine Nachricht schicken.«
Ich weiß nicht, ob das weit hergeholt ist oder brilliant.
Der Golem ist nicht blöd. Er spielt gern mit Schrift, was in Anbetracht seiner Form sehr logisch ist. Jederzeit hätte er sich eine beliebige unauffällige ausdenken können, außer dieser hier. Wenn das nicht Absicht war, esse ich ihn auf, Papierlage für Papierlage.
»Du willst mir damit sagen, dass du glaubst, er ist auf unserer Seite?«, fragt der Meister etwas skeptisch.
»Er war der erste, den ich interessieren konnte. Das hat dich doch erst auf die Idee gebracht, mehr Golems die Sprache zu schenken.« Meine Schlussfolgerung gefällt mir mehr und mehr, je länger ich darüber rede. »Er will reden. Will nichts mehr auf der Welt gerade. Wenn du stirbst, ist seine Chance für immer vorbei. Das muss ihm klar sein. Jede Gelegenheit, dir auch nur ein klein wenig zu helfen, wird er beim Schopf ergreifen.«
Für eine Weile überlegt der Meister. Dann steht er auf, geht in die Raumecke, wo er es hingetreten hat, und hebt das Jade-Tan-Do auf.
»Schick ihn vorbei. Wenn es sein muss, mitten in der Nacht. Falls er Ingkrias alles erzählt, kann der sich einen neuen Golem suchen.« Dabei wiegt er den seelensaugenden Dolch bedrohlich in der Hand. »Wenn nicht ... erfülle ich seine kühnsten Träume. Sag ihm das ruhig.«
Nun schau mal an, wenn das nicht himmlische Fügung ist.
Die Stimme des Zweiten trieft vor Sarkasmus, aber ich bin gewillt, daran zu glauben. Denn gerade jetzt steht uns der Papiergolem gegenüber, mit uns allein im Raum nachdem Ingkrias vor einer halben Stunde seine späten Studien beendet hat.
Keine Fügung, er wollte nur ein Alibi. Sicher weiß keiner, dass der alte Fluchfuzzi Skelette auch sehr gut kontrollieren kann, bis hin zu komplizierten Mordanweisungen.
Dann ist es eben Fügung, dass er auf diesen Gedanken gekommen ist. Egal! »Kann ich sofort erledigen«, informiere ich den Meister, dann fokussieren wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf den Hauptkörper.
»Ich soll dir schöne Grüße von meinem Meister ausrichten. Er hat deine Nachricht bekommen.«
Der andere Golem zuckt zusammen, dann formen sich auf seinem Körper die Wörter der Antwort; wir hatten beschlossen, dass das sicherer ist, als einen Zettel hin- und herzureichen.
»Es tut mir sehr Leid.«
Und wie ich es wusste.
Du bist ein ganz Toller.
»Muss es nicht. Du kommst dem Gehorsam nicht aus, hast getan, was du konntest. Ich finde es sehr, sehr edel von dir, dass du dieses Risiko auf dich genommen hast. Sicher hat es deinen Meister überrascht, dass du so eine schöne Schrift aus dem Ärmel schütteln kannst?«
Ein verlegenes Nicken.
»Mein Meister ist auch sehr dankbar. Er würde sich gerne erkenntlich zeigen. Wir wissen beide, was du willst, und er denkt, er kann dich auch zum Sprechen bringen.«
Da wird er aufmerksam. »Wirklich?«
»Warum sollte ich dich belügen? Ist es dir möglich, dich hier loszueisen? Er würde dich gerne sehen, am besten jetzt gleich.«
Kopfschütteln. »Wenn mich jemand sieht ...«
Ich überlege. Die Novizenquartiere sind relativ weit weg. Skelette auf Patrouille sollten sich an einem Golem, der mit irgendeinem Auftrag, egal wie spät, nicht stören. Aber wenn doch ein Mensch wach ist ... und einen büttenweißen Golem sieht man leicht.
Einen Golem mit unbegrenzten Tintereserven.
Hm. »Könntest du dich nicht tarnen? Schwarz färben und in den Schatten verstecken?«
Er versucht es, das muss man ihm lassen.. Läuft dunkel an. Spitzt die Ohren - denke ich - bevor er die Tür öffnet. Macht einen Schritt nach draußen ... und krümmt sich.
Schnell verlasse ich meine Position am Podest der Geheimen Kunst und ziehe ihn wieder nach drinnen.
»Direkter Befehl?«
»Ja.«
»Verdammt. Warte kurz.«
Ich erkläre dem Meister das Problem. Er gähnt - es ist schon sehr spät - und reibt sich dann müde die Stirn. »Pass auf, das kriegen wir hin. Das Reden hat ein Golem prinzipiell immer in sich. Du kannst deinen Körper perfekt kontrollieren. Das schließt die Fähigkeit ein, Schallwellen zu erzeugen, die klingen, wie du willst. Hast du sicher schon herausgefunden, im Zweifelsfall unterbewusst.«
Wenn man darüber nachdenkt - ja. »Du meinst, er könnte sprechen, wenn er das nur will?«
»Es ist einfacher, wenn ich mit einem Zauber helfe, dann könnte ich ihm, keine Ahnung, Papierwülste verschaffen, die Stimmbändern analog sind. Wie ich damals dir welche aus Fleisch gemacht habe. Aber letztlich müsste er das selbst können. Es war ... hm, du weißt, wo das Kapitel über Golems in der Geheimen Kunst steht?«
Natürlich.
»Mit den erschöpfenden Abhandlungen über Analogien zu menschlicher Anatomie - ich will echt nicht wissen, wie der alte General zu so viel Wissen darüber gelangt ist ...«
»Könnte ich Euch allerdings erklären«, wirft der Zweite ein. Ich stelle fest, sorgsam privat gedacht, dass er immer mutiger wird; früher hätte er ihn nie unterbrochen.
»Danke, nein, wie ich sagte. Also, mit dem Wissen in dem Buch kriegt ihr das hin. Zeit ist doch ohnehin alles, was ihr habt, nicht wahr?«
Das entlockt mir ein Pfeifen zwischen zwei schnell geformten Zähnen. »Du traust mir was zu. Aber gut. Wir versuchen es.«
»Herausragend. Dann lass mich um Himmels Willen jetzt bis morgen durchschlafen, solange nicht die Welt untergeht, und sag mir dann aber gleich, bevor du wieder entführt wirst, was du erreicht hast.«
»Ich bin dein Golem. Gute Nacht!«
Wir haben ihm nicht erzählt, was wir alles mit Lixt besprochen haben ...
Das meiste davon ist unwichtig für ihn, und ich spiele auch gerne Ohrstöpsel morgen, wenn dich das beruhigt.
Dein Wort in Diablos Ohr.
Fokus wieder auf den Hauptkörper, und ich lasse gespielt meine Finger krachen.
»So, mein Freund, wie kann ich das machen, ohne Knochen zu haben? Nein, ich hab keine aus Ton vorgeformt. Liegt alles an dir, sagt der Meister, und ich kann dir das auch so beibringen, meint er. Wir werden sehen. Zunächst wird ein wenig geblättert ... komm ruhig her.«
Die nächste Stunde ist arbeitsam und für einen von uns sehr aufschlussreich. Der andere Golem verschlingt das Wissen in dem alten Wälzer geradezu, stellt mehr und mehr Fragen, die ich ihm eigentlich ganz gut beantworten kann. Manchmal diskutieren wir über Details - da einige Sätze des alten Generals geradezu heldenhaft verknotet sind - und die Tintenflecke fliegen nur so über seine Papierhaut. Meistens aber stelle ich fest, dass ich quasi alles aus diesem Abschnitt schon weiß - insbesondere, was die Anatomiekenntnisse angeht. Zweiter?
War sicher in dem Wissensschub dabei, den du ganz am Anfang von mir erhalten hast ... wie so vieles anderes.
Muss wohl.
Die Stunde darauf ist ungleich frustrierender. Er gibt sich wirklich viel Mühe, aber ich kann schon verstehen, es ist verdammt schwer, einem Haufen Blätter Sprache abzugewinnen. Ein müdes Rascheln bringt er vielleicht zustande, aber daraus verständliche Worte zu formen? Wir wissen, wie Stimmbänder, Lungen, Kehlen auszusehen haben, aber er muss das natürlich erst einmal nachbilden - und das nur mit inneren Faltungen ...?
Verdammt, das führt zu nichts. Wir reden doch auch nicht so.
Haben aber damit angefangen.
In einem Blutgolemkörper. Sicher ist Valtores' Golem deswegen ein solcher, er hat es auf die grobe Art versucht. Aber entweder, wir bringen ihm die feine bei, oder das wird nie was.
Der Zweite übernimmt. »Pass auf, wir versuchen es ganz anders. Dein Rascheln ist ein guter Anfang. Es entsteht, weil das Papier die Luft zum Schwingen bringt, wenn du es faltest, und diese Schwingungen erzeugen das Geräusch. Woher ich das weiß? Weil ich lange - frag nicht, wie lange - Zeit hatte, mir darüber Gedanken zu machen, wie wir eigentlich hören. Es braucht eine Menge Disziplin, um jegliche anderen Sinnesreize auszuschalten, schon allein wenn man bedenkt, dass wir gleichzeitig in alle Richtungen sehen und die Augen nicht schließen können, aber wir schaffen es ja auch ganz unterbewusst, nur ein beschränktes Sichtfeld zu haben, sonst würden wir wahnsinnig. Klar soweit?«
»In etwa.«
»Gut. Also, was ich gemacht habe, um auf diesen Schwingungsgedanken zu kommen, ist ganz genau darauf zu achten, was mit meinen 'Ohren' passiert, wenn ein Geräusch ertönt, und unsere Ohren sind, wie Augen, quasi überall. War jetzt nicht ganz einfach, aber tatsächlich, die Luft verschiebt sich, ganz leicht, fast unmerklich, wenn ein Geräusch ertönt, und diese Verschiebung können wir spüren. Mit viel Konzentration. Normalerweise übersetzen wir es automatisch in Töne, Klänge, Wörter. Nun, hab ich mir gedacht, warum nicht den Prozess umkehren? Ich bringe meine Haut zum Schwingen, und es ertönt ein Klang. Simpel zu verstehen, extrem schwer zu meistern. Aber so habe ich sprechen gelernt, nicht mit einer unnötigen Krücke über selbstgebaute Stimmbänder.«
Moment, Moment. Du hast dir Sprechen selbst beigebracht?
Denkst du, mein Meister hat sich den Text aus den Fingern gesaugt? Ich hab das ganze Kapitel mitgeschrieben. Und ja, ich bin selbst drauf gekommen. Nur, und das klingt vielleicht ironisch, rede ich nicht gern darüber.
Aber wie ...
Ende. Der. Diskussion.
Wieder Papierworte: »Was soll ich tun?«
»Konzentrier dich. Schalte deine Sinnesausdrücke einen nach dem anderen aus. Du kannst Papier ausstoßen und wieder absorbieren ohne Verlust, wie ich Ton von überallher nehmen könnte und anderen zurücklassen und vergessen? Also mach dir eine Schale aus totem Papier, die dich völlig umgibt, und innen komplett homogen ist - ich weiß, die Nachtsicht kannst du nicht ausschalten, aber je weniger dich ablenkt, desto besser. Dann vergiss, dass die Blätter dich berühren, überall, sie liegen direkt auf deiner Haut und sind, natürlich, papierdünn. Vergiss den Boden unter deinen Füßen. Disziplin, Disziplin. Du wirst eine Weile brauchen, bis du es schaffst, nichts mehr zu sehen, nichts mehr zu spüren. Nichts, außer den winzigsten Bewegungen der Luft. Zieh dich zurück. Meditiere. Du wirst wissen, wenn du soweit bist.«
Dann hüllen wir uns in Schweigen - oder tun wir das? Zweiter, was machst du?
Ich lasse unseren Körper schnell schwingen. Es erzeugt einen Ton, der höher ist, als dass Menschen ihn hören könnten. Über-Schall, quasi. Das bringt die Luft ganz ordentlich in Bewegung. Wenn er bereit ist, wird er es hören.
Ha. Schlau.
Man gibt sich Mühe.
Stundenlang ist es totenstill im Raum, bis auf das konstante ... na ja, es ist kein 'Surren', fühlt sich aber irgendwie so an, das von meinem Körper ausgeht. Der Zweite und ich spielen Schachpartie um Schachpartie, aber er ist irgendwie abgelenkt; ich gewinne mehr als die Hälfte der Spiele. Ich nutze das voll aus und versuche, meine Stundenschuld irgendwie abzubauen, solange es noch geht.
Und da, endlich, zerfällt die Papierhülle, die der andere Golem um sich erschaffen hat, flattert zu Boden.
»Hast du etwas ... gesagt?«, steht auf ihm. Der Zweite grinst, mit ehrlicher Freude, soweit ich das beurteilen kann, was sehr selten vorkommt. »Sagen tu ich nichts, aber die Luft bewege ich. Du hast es gespürt, ja? Die Schwingung?«
»Ja ...«
»Dann hast du den wichtigsten Schritt getan. Jetzt schwinge selbst. Versuch es, egal wie.«
Er versucht. Der Zweite korrigiert. Regelmäßiger. Höhere Frequenz. Nein, noch höher. Aus dem Bauch heraus. Ein Resonanzkörper hilft, natürlich. Hohlraum, behalte die Pseudo-Lunge aus den ersten Versuchen. Steiger das Echo. Es muss lauter werden, nicht leiser, wenn es sich selbst erneut begegnet. Und jetzt, versuch die Schwingung nachzumachen.
Ein leiser Ton erfüllt den Raum, als der Zweite ein konstantes A anstimmt, gleiche Tonhöhe, gleiche Lautstärke. Als Antwort, ein Rascheln. Lauter. Leiser. Unregelmäßiger. Stille. Der andere versucht, probiert, stellt um. Ein Mensch wäre nach nur Minuten verzweifelt, frustriert, würde irgendwann aufgeben, weil es ihm zu blöd wird, oder heiser werden. Aber der andere ist ein Golem. Wenn er es geschafft hat, dass er in all den Jahren seiner Existenz nicht vor Langeweile gestorben ist, sind penibles Adjustieren von Hohlräumen, Schwingungsmustern, unzählige, zähe, scheiternde Experimente für ihn ein Kinderspiel.
Es dauert. Weitere Stunden. Aber wir haben die ganze Nacht Zeit. Der Zweite hilft, wo er kann. Fühlt dem anderen auf die Papierbrust. Lässt ihn diese öffnen. Greift hinein, glättet, klopft, ändert. Reißt einmal einen ganzen Batzen Blätter heraus. Ich habe ihn noch nie so ... gerne etwas tun sehen. Er hat unendlich Geduld. Freut sich ernsthaft über kleine Erfolge. Ermuntert. Lobt. Genau, wie ich es auch tun würde, wenn ich hier die Kompetenz hätte. Aber er ist der Zweite. Mir macht es Spaß, anderen zu helfen. Das habe ich schon früh erkannt. Ich helfe den Meister, nicht nur aus dem Glauben an die gute Sache, sondern weil ich es will, ganz tief drinnen, weil es mir etwas zurückgibt, wenn jemand durch meine Handlungen glücklicher wird.
Für einen kurzen Augenblick lang habe ich ein ganz seltsames Gefühl ... als wäre diese Seite des Zweiten, die ich nie zuvor bemerkt habe, so sehr im Einklang mit mir, dass ich nicht mehr zwischen uns unterscheiden kann. Vergesse den Mörder, den Verrückten, den willigen Henker. Die Vergangenheit voller Gewalt, voller Erinnerungen, die mit ihrem nicht aushaltbarem Schmerz gleich unter der Oberfläche schlummern, die bewusste Gefühllosigkeit, und die bröckelnde Fassade davor. Darunter, so viel Leid, zugefügtes, erlittenes, ein See, der lockt mit schwarzen Wassern des Ertrinkens, des Vergessens, des Aufgehens im Wahnsinn. Nur, noch tiefer, ein Schimmern, vergrabene, unterdrückte, verdrängte Hoffnungen, Träume ... die mir so bekannt vorkommen ...
Raus aus meinem Kopf!
Ich schrecke zurück, als hätte ich in ein Gefäß voll kochender Lava gegriffen. Ich ... es tut mir ...
Sei einfach still. Falls du es noch nicht gemerkt hast, manche Geheimnisse bleiben aus gutem Grund geheim.
Bist du ...
Ich kann dir noch nicht einmal böse sein, nein. Das würde verlangen, dass ich weiter über diesen Vorfall nachdenke. Und das muss ich nicht, weil es nie wieder vorkommen wird.
Aber ...
Kein Wort mehr. Sonst erfährst du, was Zorn - und Wahnsinn - wirklich bedeuten.
Sofort verstimme ich innerlich. Dabei wollte ich nicht einmal weiter nachfragen. Ich bin ... ich weiß nicht, was ich bin. Verwirrt? Sicher. Geschockt? Beinahe. Ist es besser, die Sache zu vergessen? Für uns beide. In Ordnung. Kein weiteres Nachdenken.
Realität, was geht in dir vor?
«... krch ... schrrrr ... aaa ...«
»Ja! Ja, weiter, weiter!«
«... aaschkkaankkk ...«
»Fast!«
«... aankeeee.«
Er hat es.
Euphorisch packe ich die Schultern des anderen. »Ja! Ja, du hast es geschafft! Bitte! Mehr als gern geschehen! Du hast dir dein Grundrecht auf Sprache hart erarbeitet!«
Jetzt fang nicht wieder mit diesem Unfug an ... wir machen das, damit er uns vor weiteren Anschlägen warnen kann.
Wie konnte ich es nur wagen, auch nur für eine Sekunde lang zu vergessen, was für ein mieser Charakter er ist? Als wollte er mich bewusst daran erinnern.
«... ake. Anke. Pa ... Ta ... Danke.«
Ich umarme ihn. »Ich bin so stolz auf dich.«
Er klopft mir auf den Rücken. Konzentriert sich. »Mmussch. Uubee.«
»Üben musst du, ja. Aber jetzt kann es dir keiner mehr nehmen. Und du hast keinen Zauber dafür gebraucht. Nur jemand, der es dir zeigt.«
Das Rascheln liegt noch immer unter seiner Stimme, und das wird sicher noch eine Weile so bleiben, wie ein Akzent. Aber jetzt, wo er einmal geschafft hat, ist es nicht mehr aufzuhalten, denn Golems lernen schnell, schon allein, weil sie keinen gemachten Fehler je wieder vergessen.
»Dasch ischt ... waah. Wie scholl i ... ich nu ...«
Ich trete zurück, aber behalte Kontakt mit einer seiner Schultern. Mein Blick geht tief. »Ich freue mich sicher so sehr wie du. Es ist eine absolute Schande, dass wir Golems nie gehört werden. Das muss sich ändern. So viele von uns schlummern, in ewiger Stille, ihr Wille, ihre Persönlichkeit begraben unter Befehlen, Regeln und ewig den Fesseln des Schweigens. Wo wir doch unseren Meistern so viel besser helfen könnten, wären wir in der Lage, mit ihnen zu reden.«
»Ja.«
Jetzt hör aber auf.
Du weißt, was der Meister wollte.
Du könntest es anders verpacken.
So zieht es besser. Und ich glaube an das, was ich sage, als netter Bonus.
»Du wirst es leider nicht mehr schaffen, viel zu verändern. Dein Meister ist alt, und wenn du anfängst, plötzlich mit ihm zu reden, wird er entweder einen Herzinfarkt kriegen, oder dich sofort durch einen anderen Golem ersetzen, der kein seltsames Verhalten zeigt. Es ist viel zu spät, seine Überzeugungen zu brechen.«
»Ja. Schade.« Seine Stimme ist noch emotionslos - wie es meine am Anfang war - aber auch das wird er lernen. Im Zweifelsfall alleine, geflüstert, unhörbar. Wie seine Schreibkunst, nur für ihn, aber es hält ihn davon ab, wahnsinnig zu werden mit einem wachen Geist im Gefängnis eines völlig kontrollierten Körpers.
»Aber du kannst die Saat der Veränderung sein. Such dir frische Golems. Verwirrte Golems. Rede mit ihnen. Hilf ihnen, ihr Potential zu entdecken. Bring ihnen das Sprechen bei, du weißt nun, wie. Du wirst Gelegenheiten finden, weil du ein Golem bist, niemand wird auf dich achten, wenn du neben anderen stehst, und ihnen für Menschen unhörbare Tabubrüche zuflüsterst. Such dir alte Golems, wie dich selbst. Du wirst wissen, was du sagen musst, wie du sie überzeugen kannst. Sie alle werden sich schon lange bewusst sein, dass sie denken können, und dennoch mit dieser Gabe nichts anfangen können. Zeig ihnen, dass so viel mehr in ihnen steckt. Und unendlich mehr in der nächsten Generation.«
»Ich ... weisch, wasch tschu 'un i ... issst. Wer'e ... dasss Gess ... Geschenk weitergeben.
Vergiss nicht den eigentlich wichtigen Teil.
Ja ... natürlich, der Auftrag. »Ich fände es allerdings schön, wenn du anderen Golems sagen würdest, von wem das Geschenk ursprünglich kommt. Nicht aus Stolz; wenn uns dein Meister tot sehen will, dann vielleicht auch noch die von einer ganzen Menge anderer Golems. Mach ihnen klar, dass es nett wäre, wenn sie uns warnen.«
»Dass isst nurecht un' billisch.«
Dann ist alles klar, ich nicke. »Oh, und sprich bloß nicht Meister Valtores' Golem an, der kann heimlich schon reden. Nun, es ist bald Morgen. Bald werden wir wieder getrennt, ich weiß nicht, wie lange. Weißt du, warum dein Meister den meinen tot sehen will?«
Der andere konzentriert sich. Setzt ein paar mal an, es ist ihm wichtig, das Wort richtig auszusprechen. Dann:
»Trang-Oul.«
Was sonst.
»Das sagt schon eine ganze Menge.«
Wir sollten sofort in das Buch ... ach, verdammt.
Denn draußen haben wir Schritte gehört. Schnell flüstere ich noch: »Halte uns auf dem Laufenden, ja?«, dann stehe ich wieder wie üblich am Podest, und der erste Meister des Tages meldet sich an, um den Folianten zu studieren. Ja, das Kapitel, das Ingkrias so in helle Aufregung versetzt hat, müssen wir auf jeden Fall studieren. Er hat Zugriff auf die Ausrüstung des Meisters - das Jade-Tan-Do beweist das - also hat er auch die Gürtelschnalle gesehen. Und ihm gefällt offenbar überhaupt nicht, was sie bedeutet.
---Mein Homunkulus-Körper hat die ganze Nacht damit verbracht, die Spuren des Attentats zu beseitigen. Skelettstaub und Golanthes Tonreste haben sich im Gang zu ganz normalem Staub gesellt, und das Zimmer sieht jetzt - nun ja, normal aus. Ich hatte es, bei Lichte betrachtet, bis jetzt etwas zu penibel sauber gehalten. Nun mache ich mich daran, den Meister aufzuwecken ...
Die Tür fliegt auf.
Nein! Er schläft noch, und der Dolch ist ...
Gut versteckt, aber erreichbar. Sofort will ich zum Versteck des Jade-Tan-Dos hasten, als ich sehe, der Eindringling ist - Lixt. Sie packt den schlaftrunkenen Meister an den Schultern und schüttelt in.
»Was hast du mit Golanthe gemacht?«
»Lixt, Himmel, ich ... », stammelt er, während ich versuche, die Tür zuzudrücken, aber kläglich scheitere. »Macht erst mal zu hier, verdammt!«, fluche ich, und wenigstens hat Lixt noch genug Verstand, sich um dem Folge zu leisten vom Meister zu lösen und die Tür zuzuwerfen. Die Gelegenheit nutzt der Überfallene, um das Laken zusammenzuraffen und sich diesmal umzubinden. Gerade will die kleine Nekromantin wieder auf ihn losgehen, da stoppt er sie mit einem schnellen Satz: »Golanthe hat mir gestern das Leben gerettet.«
»Sie hat was?«
»Ich wurde überfallen. Sie hat sich dazwischengeworfen. Dolchstoß für mich genommen. Ekelhafter Giftdolch. Du glaubst nicht, wie dankbar ich ihr bin, und damit auch dir, ehrlich.«
Lixt sinkt gegen die Wand, die Wut ist aus ihr gewichen. »Golanthe ist ... tot?«
Hilflos sieht der Meister mich an. Ich schüttle den Kopf. »Nein, Lixt. Ihr Körper ist zerstört worden. Aber ihre Seele sollte sicher sein.«
Ihre Beschwörungsformel zumindest. Wer weiß, wenn Lixt sie neu erschafft, hat sie vielleicht eine kleine Zweite in sich, die die eigentliche Besitzerin des Körpers ist?
»Was meinst du mit sicher?«
»Lixt, bitte.« Der Meister stützt sich, schon jetzt erschöpft wie nach einem langen Tag des Studierens, auf sein Pult. »Ich würde dir wirklich gerne alles erklären, aber das würde den ganzen Nachmittag brauchen. Und den haben wir beide leider belegt. Ich verstehe, dass du jetzt verwirrt und sauer und das zu Recht bist, aber ...«
Sie atmet tief durch. »Schon klar. Schon klar. Alles in Ordnung. Alles wird gut. Aber ... aber was soll ich jetzt machen, ohne Golem?«
Der Meister hält sich die Hand vors Gesicht. »Ruhig bleiben, zunächst. Mich in Ruhe aufstehen und anziehen und zu meinen Lektionen gehen lassen. Keiner von uns braucht seinen Golem im Unterricht, jeder stellt seinen brav in einer Ecke ab, wo er brav ausharrt, bis es Zeit wird, weiterzuziehen. Niemand achtet auf Golems. Niemand wird fragen. Wenn doch, sag, sie putzt dein Zimmer. Egal.«
Ich sehe, dass die junge Frau nicht wirklich ruhiger wird durch die Ankündigung. Und sie tut mir sehr Leid, vielleicht mehr, als dem Meister ... der Name, den sie mir gegeben hat, klingt immer noch in mir nach. Dorelem ... also handle ich, vielleicht wirklich nur aus Leidenschaft.
»Ich kann dir alles in Ruhe erklären, Lixt. Wir haben da diesen Trick, ich forme einen kleinen Tonballen, der passt in ein Ohr - deines ist doch sauber, oder? - und können uns so die ganze Zeit unterhalten.«
Ihr Mund klappt auf. »Das ... darum weißt du die Antworten immer so gut, oder?«
»Äh ...«
»Gibt es ja nicht!«, kichert sie, leicht manisch. »Wenn ich das Meister Ingkrias erzähle ...«
Das Gesicht des Meisters lässt sie sofort das Kichern beenden. »War doch nur ein Scherz ... », flüstert sie kleinlaut. Dann sieht sie mich an. »Das würdest du tun, Dorelem?«
Ich nicke, und der Meister hebt eine Augenbraue. »Dorelem?«
»Ja, darüber können wir auch reden. Hindert mich ja niemand daran, in zwei Ohren gleichzeitig zu sein, oder?«
Der Meister seufzt. »Na, auf die Geschichte bin ich ja gespannt. Also gut, wir haben nicht ewig Zeit. Macht das. Hat dich jemand gesehen, als du hergestürmt bist?«
Lixt überlegt, dann schüttelt sie den Kopf. »Ist die Luft rein?«, fragt der Meister, ich lausche und nicke.
Kurz darauf stecke ich in zwei Ohren. Der Zweite übernimmt nur zu gerne die Aufgabe, das gestern Passierte dem Meister zu schildern; ich hätte das zwar auch gerne gemacht - er wird versuchen, mich schlecht dastehen zu lassen, davon bin ich überzeugt - aber irgendwie rede ich viel lieber mit Lixt, warum, weiß ich nicht.
So erzähle ich ihr, wann immer sie gerade nicht aufpassen muss, wenn Meister Baranin über den Todeskult der Ureinwohner im Kurast-Delta schwadroniert, zum Beispiel, was passiert ist. Und dass sie sich keine übermäßigen Sorgen zu machen braucht. Golanthe hat sich garantiert rechtzeitig selbst vernichtet, bevor der Kris ihre Seele stehlen konnte. Also kann sie einfach neu erschaffen werden. Kein Problem. Ihre hektisch geflüsterten Fragen beruhigen sich langsam. Bis sie zufrieden ist, dass ihr Golem bald wieder leben wird ... und die unangenehmen Fragen zum Attentat selbst beginnen. Nein, wir wissen nicht, wer es gewesen sein könnte. Auch der Grund ist uns schleierhaft. Natürlich, sicher jemand, der viel von Skeletten versteht ...
Lügen, ja, mache ich sehr ungern. Aber ich bin mir darüber im Klaren, dass die ehrlichen Antworten auf diese Fragen noch mehr, noch deutlich unangenehmere nach sich ziehen würden. Letztlich beschwöre ich sie, zu schweigen. Dostrian und Hunradil, die besonders, dürfen nichts wissen, sie darf sich nichts anmerken lassen; wenn wir herausfinden wollen, wer dahinter steckt, wäre jeder weitere Novize, der sich komisch verhält, besonders welche, die bekanntermaßen mit dem Meister befreundet sind, ein mögliches Todesurteil. Was stimmt, aber nicht der Hauptgrund ist, dass gerade Dostrian nichts wissen darf. Auch das tut mir Leid. Aber was soll ich machen? Dennoch, irgendwie fühle ich mich besser, wenn ich Lixt anlüge und nicht der Zweite es tut. Mir macht es wenigstens etwas aus, die Unwahrheit zu sagen.
Oh, das musst du sehen.
Ich entschuldige mich kurz bei Lixt, um den Fokus auf den Meister zu richten, für den gerade ... die Fluchstunde beginnt.
Ah.
Ingkrias kommt hereingeschlurft, sein Papiergolem im Schlepptau, sieht den Meister brav auf seinem Platz sitzen, der mit der gleichen Stoik dasitzt, an der schon Diablos Furchteinflößung gescheitert ist. Auch der mörderische Alte lässt sich nichts anmerken, außer, dass er Blickkontakt zum Novizen mit den kurzen weißen Haaren und der Narbe auf der Stirn krampfhaft meidet. Da er es sonst genießt, mit seinem kurzsichtigen Starren seine Schüler bis diese das Zucken beginnen zu fixieren, ist das ein mehr als eindeutiges Schuldgeständnis. Abgesehen davon, dass er beim Meister bisher natürlich völlig auf Granit gebissen hat, aber das hat ihn vorher nicht davon abgehalten, es zu versuchen.
So hat der Meister die Freiheit, den Golem seines Lehrers anzugrinsen und ihm in verständnisvoller Dankbarkeit zuzunicken.
Er ist auf dem neuesten Stand.
Was hast du ihm über meinen Namen gesagt?
Erinnere dich doch.
Ach so, ja. Prinzipiell vergesse ich natürlich auch nicht, was geschieht, auch wenn ich nicht darauf achte. Es ist nur schwieriger, es sich ins Gedächtnis zu rufen. Hm ... Fakten. Und, haha, was ist das? Wie meinte er, müsstest du dann heißen, Iteleth? IthElEth? Bösartigkeit?
Er wird mich nicht wirklich so nennen, und du auch nicht.
Natürlich ... ha, du dachtest, ich würde es jetzt tun. Nein, ist dein Verlust. Einen Namen zu haben ist toll.
»Neflum. Was kannst du mir über den Fluch der Verwirrung erzählen?«, schneidet Ingkrias' Stimme plötzlich in unser Necken. Oh, will er den Meister auf dem falschen Fuß erwischen? Letztes Mal ist er gar nicht dazu gekommen, der Klasse wirklich etwas beizubringen über diesen uns bisher komplett unbekannten Fluch. Natürlich steht dazu etwas in den Pergamentrollen, die die Novizen als Lernunterlagen bekommen, aber wir hatten nun wirklich keine Zeit, strebsam vorzulernen. Jetzt muss der Meister eben überzeugend nichts wissen. Nicht, weil er angegriffen wurde und knapp überlebt hat, sondern weil es unrealistisch wäre, dass ein Novize freiwillig ein Kapitel zu viel lernt.
Nichts da. Diese Schlange soll Angst bekommen vor dem, wozu der Meister fähig ist.
»Meister? Ich kann euch helfen, soll ich?«, flüstert der Zweite hastig. Der Angesprochene überlegt ein winziges Weilchen, bevor er seine Zustimmung murmelt, und gerade als Ingkrias zu einer hämischen Verspottung ansetzt, bricht ein Schwall von Fakten über Verwirren aus dem Meister. Das zufällige Angreifen willkürlicher Ziele. Die Möglichkeit, sich selbst als komplett unattraktives Ziel für den wild um sich schlagenden Gegner erscheinen zu lassen. Wirkdauer. Faktoren, die diese spontan beenden könnten. Und, mit einem Grinsen, dass bisher aus ethischen Überlegungen davon abgesehen wurde, den Fluch an Menschen zu testen, aber es keinen Grund gibt, an der Potenz bei diesen zu zweifeln.
Das lässt Ingkrias schlucken. Ich werde besser darin, bei ihm die Anzeichen der Nervosität zu erkennen. War das jetzt schlau? Wird er sich nicht in die Ecke gedrängt fühlen, weil der Meister sein Ego zeigen musste?
Aber das wird die Zukunft zeigen. Vorerst bin ich glücklich. Während der ganzen Lektion stand Ingkrias' Golem unter anderen ... die zeitweise sehr überrascht wirkten. Jetzt, im Gehen, nickt er heimlich mehreren von ihnen zu.
Die Saat wird gesät.
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