Ich denke, also bin ich
von Simon Salzl aka TwinYawgmoth
Teil 5 - Trang Ouls Triumph
Kapitel 23 - Im Auftrag der Erde
Fast geräuschlos gleitet die Tonklinge durch harte Schuppen und die Haut darunter. Der Tentakeldämon blickt verdutzt, als die Spitze seiner Waffe zuckend zu Boden fällt, da packt den Stumpf meine rechte Hand, eine grausame Kralle. Er versucht verzweifelt, sich loszureißen, ich reiße mit, er verliert Bodenkontakt, fliegt heran und in mein wartendes Schwert. Ich schleudere ihn zur Seite, als zwei Sklaven heranrennen; ihre Waffen treffen nur Luft, als mein Körper in sich zusammenbricht, da stolpert der rechte, als ihn eine Welle der eigentlich unter ihm gefrorenen Erde umwirft. Aus ihr erwachse ich, hinter ihm, ein Stich in den Nacken und er steht nicht mehr auf. Doch! Als Skelett. Meine rechte Hand bildet kurz die Krallen zurück, ein Schlammball, besonders feucht, formt sich darin und trifft den anderen mit einem feuchten Klatschen im Gesicht.
Er versucht hektiv, den Dreck aus den Augen zu bekommen; eine Wurfaxt erinnert ihn daran, dass er andere Probleme hat.
Ich auch - zwei Lanzen treffen mich, fast symmetrisch unter den Achseln. Der Schmerz ist dumpf, so schwach, wie er schon lange nicht mehr war, wenn mich etwas verletzt hat.
Sie versuchen, mich hochzuheben, zu zerreißen. Schlau. Aber ich bin der Boden - die Jägerinnen-Faksimile könnten genauso versuchen, sich selbst an ihren Helmhörnern in die Lüfte zu ziehen. Somit sitze ich am deutlich längeren Hebel. Meine Arme winden sich um ihre Waffen, und sie lassen nicht schnell genug los, als ich meine quasi-Muskeln spanne; vor mir donnern die Dämonen zusammen, fallen rasselnd zu Boden, und ich stürze mich auf sie, Krallen ausgestreckt. Als er sie vom seltsamen Blut der Kreaturen freischüttelt, lacht der Zweite hässlich.
So macht mir die Sache...Spaß.
Sein Lachen bricht ab und die innere Stimme wird todernst.
Ja. Spaß.
Das macht mir Angst, aber ich gebe zu, es ist eine nette Abwechslung nach der ganze Zeit als bessere Zielscheibe. Ich lasse die Lanzen in meinen Händen herumwirbeln, und mit beiden gleichzeitig steche ich einen etwas größeren Sklaven ab, der schon zwei Skelette zerstört hat. War das ein Held?
Die Sicht könnte besser sein.
Da hat der Zweite allerdings Recht. Der Schneefall ist in der letzten Stunde immer heftiger geworden, und man sieht kaum mehr die Hand vor Augen. Ständig schießen Feuerblitze zischend aus der Wand tanzender Flocken heran, zum Glück deutlich weniger effektiv als sie ohne den Wettereinfluss wären. Dennoch kann man quasi nicht ausweichen, was die Menschen spüren.
"Das wird nicht besser werden!", brüllt Emund durch den Wind. "Was sollen wir deiner Meinung nach machen?", brüllt der Meister zurück und setzt einen Fluch hinterher, baut eine Knochenwand vor einem Feuerturm der nächsten Barrikade auf, sodass wir für einen Moment sicher vor dessen Flammenstrahlen sind. Er schnippt mit den Fingern und winkt mich ungeduldig in diese Richtung. Ist ja gut - ich finde schnell die richtigen Stellen für Hände und Füße auf dem mittlerweile bekannten Knochengebilde, nur beeilen muss ich mich, bevor die Angriffe von hinten die Wand zum Zersplittern bringen. Oben angekommen stoße ich mich sofort ab, schon zerfällt meine beinerne Leiter unter mir; ich aber fliege, lande, töte den Kobold. Problem gelöst.
He, sind wir wirklich schon so nahe an der Felswand?
Ich habe keinen blassen Schimmer. Soll ich Schritte zählen? Anscheinend sind wir aber wirklich etwas nach links abgedriftet, und das unwegsame Gebirge, das das Eishochland eingrenzt, beginnt nur ein paar Meter neben uns. Dabei wollten wir dem fern bleiben, um im Zweifelsfall die Barrikaden umgehen zu können!
"General, wir sind etwas vom Weg abgekommen - da links ist schon die Wand!", rufe ich nach unten. Jemand wirft ein rostiges Schwert auf mich, ich fange es abwesend an der Klinge und werfe zurück.
"Das auch noch? Scheiße!", beschwert sich der Meister. "Dieser Miststurm! Kann denn niemand dem Berg sagen, dass er das lassen soll?"
Himmel, muss ich mich jetzt für sein Benehmen schon bei der Natur entschuldigen? Als ob der Arreat etwas dafür könnte, wie sich die Wolken an ihm brechen.
"Vielleicht erfrieren ja ein paar Dämonen daran...", biete ich mit mühsam neutraler Stimme an. Bevor der Meister dazu etwas sagen kann, meldet sich Emund aber. "Wir sollten die Chance nutzen, sonst erfrieren wir. In der Felswand gibt es Höhlen; suchen wir uns eine. Und zwar fix, mir friert hier schon der Arsch zu, in deiner Büchse kanns dir nicht besser gehen!"
Dagegen muss ich sagen, dass ich es sehr schätze, wie warm du mich hältst, Arreat...dafür teile ich gerne deinen Schmerz, den die Dämonen verursachen.
Eine verständnisvolle Welle der Pein rollt durch meinen Körper, aber nur für einen kurzen Augenblick. Ich zucke voller Mitleid zusammen; wir müssen Baals Armee wie eine Rattenplage auslöschen!
Bin ich froh, dass du endlich deine Motivation gefunden hast...hat ja nur drei völlig zerstörte Nationen, die verdammte Hölle selbst und jetzt noch einen blöden Berg gebraucht!
Ein Gefühl, als hätte ich mir jeden Fingernagel gleichzeitig in einer Tür geprellt, durchzuckt meine rechte Klauenhand.
Verdammt! Halt deine Zunge im Zaum, diese Art der Qual kennen zu lernen hätte ich mir gerne den Rest meines Lebens gespart!
Sieh es als wertvolle Erfahrung in deinem sogenannten Leben, dafür hat man es doch, oder?
Ich habe jetzt wirklich keine Lust, mich weiter mit dir zu streiten. Was ist denn jetzt los, ich dachte, du hättest Spaß?
Die Finger der Klauenhand verkrampfen sich.
Natürlich. Gibt doch nichts besseres, als effizient für den Meister zu morden, nicht?
Ich runzle die Stirn über seinen Tonfall. Da beantwortet der Meister Emunds Vorschlag: "Gefällt mir zwar nicht, aber wir laufen noch im Kreis, wenn das so weitergeht, an der Wand gehen wir wenigstens in die richtige Richtung. Wir werden aber nicht aktiv nach einer Höhle suchen."
Emund klatscht in die Hände und hüpft auf der Stelle. "Na dann los. Da lang, Dorelem?"
Ich führe die Menschen zum Fels. Schnell stellen wir die Armee so um, dass wir den Schutz der Steine mit einbeziehen. Bald werden wir wieder angegriffen, natürlich werden wir das; es sollte keine große Sache sein, die Dämonen abzuwehren. Aber da will ich einem Knüppelschlag ausweichen, indem ich meine Seite eindelle, und es geht irgendwie langsamer als ich das wollte, und ich verliere einen guten Teil Substanz. Das tut dann doch mehr weh. Schnell will ich mehr aus dem Boden ziehen...und tu mir schwer, weil der Schnee mittlerweile fingerdick darüber liegt. Was ist jetzt los?
Wir frieren langsam ein, glaube ich - Ton ist eben doch kein Feuer!
Ja, wir brauchen auf jeden Fall Schutz vor dem Schneesturm. Trotz dieser kleinen Schwäche liegen bald alle Angreifer in ihrem Blut, aber ich mag mir gar nicht vorstellen, wie die Menschen frieren müssen.
Noch etwas später ist der Wind so schlimm geworden, dass der Meister sich den Arm konstant vor die Stirn hält und ab und an heimlich den anderen auf die Schulter eines Skeletts legt, das ihn zieht. Emund hat hier überhaupt keinen falschen Stolz und lässt sich ständig von seinen beiden Untergebenen helfen.
"Ist alles in Ordnung?", schreie ich den Meister an, ganz nah, damit er es auch hört. Der Sturm saugt einem die Worte von den Lippen, hinein in einen Strudel aus weißen Wellenwirbeln, die wirken wie die tosende Gischt an einem Felsstrand; nur dass das Meer in diesem Fall vor uns ist statt unter uns, und der Fels nach oben ragt.
Die Lippen des Meisters zittern, aber er bringt keinen Ton heraus.
Ich packe ihn an der Hand, er ist zu schwach, um sich zu wehren, und schleppe ihn mit. "Geht es bei dir, Emund?", rufe ich in die Richtung, wo ich den Barbaren erwartet; etwas, was eine Antwort sein könnte, kommt zurück, zumindest ist es bei ihm also nicht ganz so schlimm. Wenn wir durch die Flammen der Hölle getanzt sind und zwei Große Übel geschlachtet haben, nur um jetzt hier zu erfrieren, bin ich sauer!
"Ein Fuß vor den anderen, Meister!", befiehlt der Zweite. "Nicht aufgeben, wir finden eine Höhle!"
Während er sich so überraschend viel Mühe gibt, versuche ich angestrengt, Emund im Blick zu behalten. Er ist doch hoffentlich schlau genug, an der Wand zu bleiben?
Welche Wand überhaupt? Verdammt, sind wir...
"Eine Höhle!"
Ich weiß nicht, ob der Zweite oder ich das gerufen haben. Egal. Wir zerren den Meister hinein, schärfen ihm ein, hier zu bleiben aber um Himmels Willen nicht aufzuhören, sich zu bewegen, und sind wieder draußen.
"Emund! Emund, hierher!", schreie ich in das Flockenmeer, und ich denke, es vergeht eine Ewigkeit, die zehn Sekunden dauert, da landet eine schwere Hand auf meiner Schulter. "Nur die Ruhe, Dorelem! In so einem Wetter bin ich als Kind spielen gegangen!", brüllt er, aber ich denke nicht, dass ich das komplett ernst nehmen muss.
Ein paar Minuten später haben wir den Meister zumindest so aufgewärmt, dass er seinen schlimmsten Schüttelfrost los ist. Gut, dass er mehr als einen Feuermagier erschaffen hat.
Ich kontrolliere auf Anweisung des Zweiten ein paar seiner Werte - Temperatur, Puls, Atmung.
"Das ist kein Problem", urteilt er. "Am Schlimmsten war der Wind, sonst ist die Rüstung eigentlich ganz gut isolierend. Aber wenn es so weht, dringt die Kälte in die Spalten. Also lassen wir ihn auftauen, das zählt gleich als Mittagspause."
"In seiner Abwesenheit bist du der Boss", erklärt Emund und lässt sich gegen eine Felswand plumpsen. "Nicht, dass ich was gegen den Plan hab."
"Dann ruh dich auch aus. Ich pass am Eingang auf."
Er nickt mir dankbar zu und reibt sich die Hände. Der Weg zum Höhleneingang ist ein paar Meter und Biegungen lang; sie ist überraschend extensiv. Ganz früher hätte er so etwas nach Beute durchsuchen wollen...aber jetzt benutzen wir sie nur, um das Ende des Sturms abzuwarten.
Der wütet noch, aber sicher nicht mehr allzu lange. Sowas legt sich schnell.
Weißt du warum genau?
Du stellst gute Fragen, auf die ich keine Antwort weiß.
Da bemerke ich ein Ziehen in der Seite. Hm? Ich reibe mir den Tonbauch. Woher...
Es prickelt unter meiner Hand. Ein schneller Blick verrät mir, dass ich ganz normal aussehe - was ist da los?
Der Berg?
Vermutlich! Aber was will er von mir? Großer Arreat, ist etwas nicht in Ordnung?
Hast du nicht immer ein Problem mit Unterwürfigkeit?
Du scheinst das mit Respekt zu verwechseln.
Zwei Seiten einer Medallie...
Ein Gefühl, als würde mein Fuß in einem Nest wütender Ameisen stehen. Ah! Ich hüpfe unwillkürlich nach vorne...und bemerke, wie das Stechen in meiner Seite nachlässt.
Noch ein Schritt also? Und wieder wird es schwächer. Oh. Soll ich...?
Bevor du hier mitmachst, lass mich mal ein paar Worte Klartext sprechen.
Habe ich eine Wahl?
Ich rede nicht mit dir. He, du verdammter Berg. Ich habe absolut nicht das Gefühl, dass ich dir irgendetwas schuldig bin, und ich weiß nicht, woher Dumpfbacke hier die Idee bekommt. Aber meinetwegen können wir zusammen arbeiten, weil wir das gleiche wollen, nämlich die Dämonen von deinen Flanken prügeln.
Wenn du allerdings glaubst, dass du uns deswegen mit einer Peitsche vor dir hertreiben kannst, dann hast du dich sauber geschnitten. Wir haben genau einen Meister, und bei deiner Sache sind wir nur freiwillig dabei, also verhalte dich so. Du kannst dafür sorgen, dass wir uns wohl fühlen, das hast du schon gezeigt. Mach das, und hör mit diesen lächerlichen Stockhieben auf.
Wir sind dem Arreat durchaus was schuldig - wir bestehen aus seiner Erde!
Doch da durchzuckt mich wie als Warnung gleichsam ein Blitzschlag, der mich in die Knie gehen lässt...und dann breitet sich eine himmlische Wärme in mir aus. Nur da, wo ich vorher die Schmerzen gespürt habe, ist sie vielleicht etwas angenehmer...
Vielen Dank, Arreat. Musste das jetzt sein? Wir haben jetzt wirklich schon Schlimmeres durchlitten, und ich wette, es hätte aufgehört, nachdem ich die Nachricht begriffen habe.
Halt einfach deine Dummschwätzerklappe, wenn du keine Ahnung hast, wovon du redest. Du hast vielleicht eins und eins noch nicht zusammen gezählt, aber ich bin tödlich allergisch gegen Schmerzen als Erziehungsmethode, und von einem Steinhaufen muss ich mir das absolut überhaupt nicht bieten lassen.
...nein, darüber habe ich ehrlich gesagt noch nicht nachgedacht. Aber vielleicht wäre es ein weniger aufwändiges Ratespiel für mich, wenn du solche Sachen öfter ansprechen würdest?
Dafür macht es viel zu viel Spaß, dich zappeln zu lassen. Hattest du nicht einen kleinen Nebenauftrag für unseren Körperlieferanten zu erledigen?
Ach ja, richtig. Aber wir sollten auch nicht zu weit von der Höhle weggehen...wobei, das ist natürlich eigentlich kein Problem... Eine kurze Umsetzung meiner Lösungsidee später folge ich dem Streicheln des Berges. Der Zweite hat schon auch Recht, natürlich ist das angenehmer. Aber denkt der Arreat vielleicht einfach in barbarischen Bahnen, wo man solche Schmerzen selbstverständlich auszuhalten hat und sich somit auch etwas beweist? Oder ist es ihm doch egal, weil er unvorstellbar gewaltiger ist als wir, und Schmerzen sind schlicht schneller zu bemerken als Wohlgefühl? Immerhin kann man tatsächlich mit ihm reden. Ob das unserer besonderen Verbindung geschuldet ist, oder ist der Berg im Horchen geschult, weil die Barbaren so oft zu ihm beten? Erfüllt er ihnen auch regelmäßig ihre Wünsche? Aber was müssen sie dafür im Gegenzug leisten?
Ihre kollektiven Hintern am gleichen Körperteil der Welt abfrieren, um den Weltstein zu bewachen?
Hart, aber wohl wahr. Der Sturm lässt mich schon wieder langsamer stapfen, weil ich immer tiefer durchfriere, und ich beginne mich zu fragen, ob der Rückweg überhaupt möglich ist, da höre ich auf, mich irgendwie besonders zu fühlen. Ist etwas nicht in Ordnung?
...wir sind da.
Und da sehe ich durch den Sturm das unnatürliche rote Leuchten; leise wabert es, lässt an Feuer denken, aber dennoch jegliche Wärme vermissen, und das liegt nicht am allgegenwärtigen Schnee.
Ein paar Schritte weiter, und es gewinnt an Kontur durch die Flocken, das rote Portal. Das Bild dahinter ist verzerrt wie im Hitzeflimmern, was kein Zufall ist, denn es wirkt auch heiß.
...das Ding ist doch recht nah an der Höhle.
Besonders, wenn der Sturm aufhört. Dann sind von hier kommende Dämonen in Minuten da.
Und der Meister ist noch außer Gefecht...
...die Gelegenheit, für Deckard herauszufinden, ob man die Dinger schließen kann, ja.
Was auch dem Arreat zugute kommt. Ob wir die Verbindung auch noch haben, nachdem wir hindurch gegangen sind?
Wie als Antwort fühle ich eine Welle aus Kraft in mir aufsteigen; meine Masse verdoppelt sich, als ich instinktiv mehr Erde aufsauge, völlig unbeeindruckt, dass sie eigentlich steinhart gefroren ist. Für die tatsächliche Wirkung nutzlose, aber für meine humanoiden Proportionen wichtige Muskeln formen sich, meine sonst eher untersetzte und kompakte Statur wird zu einem gewaltig breitschultrigem Schrank.
Meine Bewegungsfreiheit sollte so nicht eingeschränkt sein; meine eigene Masse ist auch verzweifacht nur ein Bruchteil dessen, was ich stemmen kann, und natürlich bin ich gerade auch beträchtlich stärker geworden.
Wobei die "Muskeln" damit natürlich überhaupt nichts zu tun haben.
Oh, wir sehen ganz fürchterlich lächerlich aus. Aber da drin gibt es, glaube ich, keine Erde. Jeder Vorrat ist da willkommen.
Also...
Zerquetschen wir sie.
Sobald ich durch das Portal gehe, wirft mich eine Hitzewelle fast um. Der Kontrast zum Eishochland ist so stark, dass die Hitze wie eine Wand scheint. Schade, dass der Meister gerade außer Gefecht ist, hier wäre perfekt zum Auftauen. Aber ihn hierhin zu schleppen wäre Unfug.
Denn ich bin in die Arme einer kleinen Dämonenarmee gelaufen. Direkt vor mir ist ein verdutzter Balrog, die ledrige Dämonenhaut in einem ungewohnten Rotton; auch er einer von Baals Leuten, die ich noch nicht kenne, es sei denn er und seine etwa zehn Kollegen hinter ihm sind alles Helden. Die Plattform, auf der wir stehen, wohlbekannt in der Architektur vom Flammenfluss, der uns in der Hölle zu Diablos Sanktuarium führte, ist recht eng; über der sie umspülenden Lava schweben Geister, ihre vom Ektoplasma umwabernden Skelette gespreizt, Rippenbögen wie Spinnenbeine. Und überall Kobolde, nach dem zu urteilen, wie oft ich die schon gesehen habe, Baals Spezialität.
Offenbar eine Eigenkreation, ja. Das erklärt, warum er so viel von seinen Brüdern abkupfert...wenn er mehr als die nicht zustande bringt...
Die werden trotzdem das größte Problem, schätze ich. Na ja, wie sagt man - viel Feind, viel Ehr?
"Ganz schön kalt da draußen. Seid ihr sicher, dass ihr da raus wollt?", frage ich den Dämon vor mir, während ich zwei Schwerter in seine Brust ramme - jetzt bin ich groß genug, dass ich nicht immer auf den Bauch gehen muss. Während er bereits zu brennen beginnt, sein Todeszeichen, reißt er noch das gekurvte Schwert mit der Klinge im konvexen Teil nach oben; ich packe es, als seine Hand darum vergeht. Die mochte ich schon immer. Den nächsten packe ich an der Schulter, stoße ihm das Schwert seines Kollegen in den Hals, reiße mich daran hoch und springe mit einer Drehung über ihn hinweg, um in einem Haufen überraschter Kobolde zu landen.
Versuch doch mal das...
Nun, dafür könnten wir jetzt tatsächlich groß genug sein. Ich blähe meinen Körper auf wie einen Fächer, stülpe eine Tonglocke über fünf, sechs der kleinen Dämonen, spüre, wie sie in mir versuchen zu teleportieren, aber da schnappt die Glocke schon wieder zusammen. Kleine Flämmchen, aushaltbar, schießen aus Löchern in meiner Seite, die ich ihnen schnell schaffe. Endlich haben die Gegner begriffen, dass sie sich wehren müssen; ich pariere das Schwert eines heranstürmenden Balrogs mit meinem eigenen, kontere seine brutale Gewalt mit Finesse, hinter der aber meine eigene jetzt sicherlich ebenbürtige Kraft steckt, was ihn völlig aus dem Gleichgewicht bringt. Er stolpert über meinen ausgestreckten Fuß, landet mit dem Gesicht nach vorn im Flammenfluss...was ihm nichts ausmachen sollte...dann lande ich auf seinem Rücken. Von diesem Lavafloß aus bin ich nahe genug an den Geistern, um mich in drei Richtungen gleichzeitig zu strecken, Tontentakel auszufahren, und damit meine Ziele zu packen, zusammenzuhämmern und damit das zu zerbrechen, was ihre ätherische Substanz zusammenhält.
Meine Plattform versucht, mich abzuwerfen; kein Problem, denn ich bin nicht an diese Form gebunden. Es ist für mich quasi unmöglich, die Balance zu verlieren, solange ich mir dessen bewusst bin. Bevor er dennoch auf irgendwelche Ideen kommt, wird mein Fuß zum Schwert, durchtrennt seine Wirbelsäule, und da bin ich auch schon wieder auf sicherem Boden.
Flammen erwarten mich, als drei Balrogs Feuer spucken. Ich gleite darunter hindurch, gleich auch zwischen Dämonenbeinen weiter, und ein Kobold stirbt, der nicht schnell genug aus dem Weg teleportieren konnte. Seine Freunde schießen sich auf mich ein, aber das kitzelt nur. Auf die Dauer könnte es ein Problem werden, besonders wenn weitere Schäden dazu kommen, aber so kann ich es gut ignorieren. Wie schon erwähnt, vermutlich dennoch das größte Problem. Die hier sind Kinderkram. Ich schneide Achillessehnen durch, springe weg von umschwenkenden Flammenwürfen, mit gebeugtem Rücken rückwärts über die Irrlichter hinweg, die die Geister spucken; noch mehr von diesen sterben, dann versuchen es zwei Balrogs im Schwertkampf gegen mich. Jeder von ihnen hat eine der Waffen aus dunklem Metall, aber ich habe mittlerweile zwei, und mit dem Zweiten als Unterstützung bin ich beidhändig. Nebenbei bin ich gleichstark, aber weitaus gerissener. Sie haben keine Chance.
Dennoch halten sie mich lange genug auf, dass einige Geschosse ihr Ziel finden. Ich spüre, wie fest gebackener Ton einfach von mir abbröckelt, und natürlich gibt es hier keine Möglichkeit, mich zu regenerieren. Die Kobolde müssen sterben! Also trenne ich mich von einem der Schwerter, lasse es den Zweiten zielgenau in eine Horde Gegner schleudern, dann verwende ich die freie Hand, um einen Tonklumpen am Ende einer langen Leine auf versprengte Fernkämpfer zu werfen, bei einem Treffer ziehe ich die Leine ein und zerbreche winzige Genickchen.
Bald habe ich die Plattform gesäubert. Von ihr führt ein Weg ab, der bald eine Mauer gewinnt, nach links biegt, etwa dreißig Meter weiter noch einmal, und dann in einer weiteren ummauerten Plattform endet. Ist hinter der dann noch ein Weg?
Ich glaube, wir sind auf einer Insel.
Aber wie schaffen sie dann die Truppen her?
Da hinten fliegen schon neue Geister heran. Für die anderen - keine Ahnung. Vielleicht liegt des Rätsels Lösung gegenüber. Aber das ist etwas zu weit zum Springen.
So weit ist der Weg außen herum auch nicht. Wenn nicht zu viel Widerstand kommt - aber das hier war ja gut machbar.
Hm. Siehst du um das Portal hier irgendwas?
Um es zu schließen? Nein. Wenn, dann liegt das auch da hinten. Wollen wir mal hoffen!
Wir sind zum zweiten Mal freiwillig in der Hölle, wir brauchen keine Hoffnung.
Einen Irrenarzt wohl eher.
Du sollst nicht immer von dir auf andere schließen.
Es gab Widerstand. Sie hatten mich sogar erwartet, weil der Kampf gerade nicht zu überhören war. Aber was soll man von einer Handvoll Dämonen erwarten, die zu feige sind, einzugreifen? Da die Gänge, die die Insel im Flammenfluss formen, auf der wir uns befinden, komplett schmucklos und gerade sind, konnten sie mich nicht einmal überraschen. Ich nahm mir die zwei am schärfsten aussehenden Schwerter für später mit.
Jetzt stehe ich auf der Plattform gegenüber meiner Startposition. Und sieh an, sieh an - wenn das nicht ein ominös glühender Kristall auf einem hässlichem Stand aus Höllenmetall ist? Dieser ist grob aus dem schwarzen Stahl gegossen, mit an knorrige Finger erinnernde Zacken am Ende der schlanken Säule, welche den roten halbdurchsichtigen Stein umklammern.
Na denn...ich hebe das Schwert.
Warte! Das Ding kontrolliert sicher das Portal, aber wenn du es kaputt machst, wie kommen wir dann zurück?
Du hast Recht, wenn wir Zeit haben, sollten wir uns was überlegen. Vielleicht...
Da erscheinen plötzlich Lichter um uns herum.
Höllenteleportation...wie im Chaos-Sanktuarium! Schnell!
Jetzt haben wir keine Wahl! Mein Schwert saust herab...Funken sprühen...
Eine andere Waffe hat es abgefangen. Verdammt! Aber ich hab zwei Hände, Freundchen. Meine rechte schwingt herum - und trifft auch auf Widerstand.
"Das kann ich auch, Golem", schnarrt mein Gegner, ein smaragdgrüner Balrog mit übergroßen Hörnern und seltsam verzerrten Gesichtszügen.
Ich sehe mich schnell um; er ist der einzige geflügelte Dämon. Aber die Plattform ist jetzt plötzlich umringt von den golden gerüsteten Magiern des Abgrunds, die Skelettritter, welche uns im Chaos-Sanktuarium schon so viele Probleme bereitet haben. Verdammt!
Die schaffen es nie, auf uns zu zielen, wenn wir mit dem hier ein schönes Tänzchen hinlegen. Los!
Ich fletsche extra für diesen Gesichtsausdruck geformte Zähne, löse mein linkes Schwert von dem des anderen und greife an. Er kontert mit einer grazil geführten Klinge im genau richtigen Winkel, setzt nach, ist auf einmal innerhalb meiner Verteidigung und rammt mir den Knauf des anderen Schwerts in den Magen. Ich stolpere zurück...und sehe, wie die Magier ihre Elementkugeln um die Hände heben.
Weich nicht zu schnell aus! Dann treffen sie ihn!
Gute Idee...denke ich, doch da fühle ich, wie mich überraschende Schwäche durchzieht. Natürlich, sie haben Flüche - und die können auch die hinter dem Balrog auf mich wirken!
"Nur die Ruhe", erklärt mein Gegner. "Du hast eine ganze Angriffswelle auf einmal erledigt, sicher bist du besser als das, Golem? Flucht ihm etwas Harmloses, los."
Widerstandsschwund tanzt über meinem Kopf, als meine Kräfte zurückkehren.
Der andere streckt sein Schwert in einer Duelleinladung aus. "Na los - zeig mir, was du kannst. Die Ritter werden uns nicht stören."
Ich lasse die Klingen kreisen. "Überschätz dich bloß nicht - jetzt bin ich bereit!"
Ha, man kann doch immer auf ihre Arroganz hoffen.
Wobei er tatsächlich weiß, was er tut.
Und wir nicht?
Unsere Klingen treffen aufeinander. Alle vier wirbeln durcheinander in einem kaum überschaubaren Sturm, und ich bin gezwungen, dem Zweiten volle Kontrolle über die Hälfte des Körpers zu geben. Oder sollte ich lieber dankbar dafür sein, dass dies mittlerweile geradezu beängstigend problemlos funktioniert? Meine Beinarbeit für seine Schwertführung, die linke Hand weiß genau, was die rechte tut. Er beugt den Kopf im richtigen Moment nach hinten, damit der Angriff über uns hinwegsaust, den ich also nicht blocken muss; dafür bin ich frei, anzugreifen, weil ich den Gegner sehen kann, obwohl meine "Augen" nicht auf ihn gerichtet sind. Unsere Körpermasse verschiebt sich so, dass ich das Gleichgewicht nicht verlieren kann. Aber wieder laufe ich mit meinem Hieb wie gegen eine Wand, da packt er beide seiner Schwerter mit beiden Händen und lässt sie wie einen Knüppel auf mich herabfahren.
Gerade noch bringe ich eines von meinen dazwischen, und spüre wie seine volle Kraft nur dadurch gemindert wird, dass ich um gut dreißig Zentimeter zusammenschrumpfe. Ja, Ausweichen ist das Gebot der Stunde.
Federgleich schnelle ich wieder zu meinen humanoiden Proportionen zurück, aber schon muss ich wieder parieren. Er ist weit schneller, stärker und auch schlauer als alle Dämonen, die ich bisher von Baals Armee vernichtet habe.
Ja, verdammt, das macht Spaß!
Immer, wenn ich denke, dass ich dich endlich verstanden habe...
Bei jedem anderen Kampf müssen wir ein Auge darauf haben, dass uns der Meister im Hintergrund nicht krepiert. Oder wir lenken die Gegner nur ab, damit die Skelette ihnen in den Rücken fallen können. Wir sind nur ein weiterer ersetzbarer Soldat in der Armee, aber haben trotzdem mehr Verantwortung als alle anderen zusammen. Findest du das hier nicht...befreiend?
Diese Gedanken mache ich mir vielleicht, wenn er vor mir im Staub liegt, ja?
Riposte! Endlich! Und ein Kratzer an seiner Schulter. Scheint ihn allerdings wenig zu stören. Nicht einmal ein bisschen zurückzucken tut er - dabei hatte ich damit gerechnet. Und so revanchiert er sich sofort, schneidet ein Stück meines Kopfes ab, was einen Menschen entweder etwas Skalp und eine ordentliche Gehirnerschütterung, oder - wenn ich seine Kraft und die Hiebtiefe richtig einschätze - auch gleich das Leben gekostet hätte.
Gut dann, dass wir ein Golem sind.
Er hätte uns gerade auch das andere Schwert in die Seite stechen können - aber das hätte uns keinen bleibenden Schaden hinterlassen. Ich wette, er ist sich unser Golemnatur durchaus bewusst!
Hm. "He, hast du eigentlich auch einen Namen?"
"Aber sicher", ist die Antwort. War das ein amüsierter Unterton?
Bei dem stimmt doch was nicht.
Ich finds schön, dass du Zeit hast, über sowas nachzudenken. Verdammt! Wieder ein Stück verloren, diesmal die Hüfte. Und ich kann mich nicht einmal rächen. Für einen Moment trenne ich mich von ihm, weiche zurück um ihn zu umkreisen. Wir beide haben die Schwerter erhoben und warten auf einen Fehler.
Lass uns den Fehler begehen. Ich will etwas ausprobieren.
Oh Himmel. Na schön, ich bin für Ideen offen. Mach einfach.
Blitzschnell täuscht der Zweite nach rechts an und lässt dann doch beide Schwerter von links kommen. Beide? Ach, das muss der bewusste Fehler sein.
Und der andere ist tatsächlich dafür bereit! Unsere rechte Flanke ist jetzt natürlich exponiert, darauf zielt er während er gleichzeitig durch einen Hechter nach vorne unserem Schlag ausweicht. Seine Klinge reißt wieder ein Stück Ton mit sich, während eines unserer Schwerter verfehlt und das andere abgewehrt wird. Bevor wir aus seinem Sprung Kapital schlagen können, steht er auch schon wieder. Was war jetzt der Plan?
Beginnt jetzt. Ich musste wieder in den Kampf kommen.
Na gut? Ich weiß nicht, ob es das wert war, aber bitte.
Immerhin scheint der Zweite jetzt richtig warm geworden zu sein. Je mehr wir den Stil des anderen lesen lernen, desto flüssiger wird aber auch der Kampf. Die Klingen schwirren jetzt wirklich, und immer wieder sprühen Funken, als der grobe Höllenstahl voneinander abgleitet. Ein tranceartiger Zustand, den ich schon länger nicht mehr verspürt hatte, erfasst mich. Nur noch der Gegner existiert, jedes Zucken seiner Muskeln ist ein wichtiges Signal, deutet den Plan der nächsten drei Millisekunden an, was gerade meinem Reflexfenster entspricht. Als wäre er ein Tanzpartner wirbeln wir umeinander - aber, bedenklich, es ist klar, wer führt. Weil er in etwa gleich schnell und fähig ist, aber trotz meiner neuen Kräfter stärker, muss ich vorsichtiger sein, auf ihn reagieren statt ihn in die Defensive drängen zu können. Es ist frustrierend und scheint das Warten auf einer Fehler seinerseits notwendig zu machen, aber das kann nicht der Weg sein. Er hat echtes Fleisch, das heißt irgendwann wird er ermüden und ich nicht, aber wie lange kann das dauern? Ganz selten kann ich seine smaragdene Haut ritzen, aber auch das kommt mir immer vor, als würde er es zulassen. Kein Blut strömt aus den Wunden. Als würde er mich gelegentlich einladen, ihn zu verletzen - warum tut er das?
Siehst du, jetzt hattest du kurz Zeit zu überlegen. Siehst du ein Muster?
Wir improvisieren wild...aber es könnte sein...mach noch einmal eine Finte mit rechts. Bein als würdest du einen Ausfall wagen wollen.
Ja! Jetzt mit links parieren, Klinge nach oben abgleiten lassen, und rechts kann umschwingen.
Und da hat er wieder einen Kratzer am fast lustlos zurückgezogenen Knie. Definitiv ein Muster.
Eine Möglichkeit?
Er spielt mit uns.
Unzweideutig. Jetzt pass auf, Phase zwei meines Plans.
Gleicher Ansatz wie gerade, doch jetzt schlägt der Zweite zu. Wir akzeptieren einen Schnitt am Oberarm - der natürlich gleich geschlossen ist - um doch einmal in die Offensive zu gehen. Rechts, links, links - da kommt seine Antwort, wir müssen rechts wieder verteidigen, aber auch er hat einen Treffer einstecken müssen. Und endlich fließt Blut.
Gut, noch zwanzig solcher Pläne und vielleicht schreit er dann das erste Mal.
Plan ist noch nicht vorbei.
Der Balrog zeigt sich unwillig, auf die Verletzung zu reagieren. Völlig unbekümmert kämpft er weiter. Auch wir gehen mit unvermindertem Elan in den Kampf, und wieder reißt der Zweite die Initiative an sich. Fast selbstmörderisch stürzt er sich in eine Offensive, die wir eigentlich nicht wagen dürften, aber dieses Mal zumindest ist unser Ausbruch überraschend. Dennoch kann unser Gegner ihn abwehren, aber nicht mühelos, wie es bisher immer den Anschein hatte. Warte, war das gerade wieder rechts, links, links?
Oh, aber sicher.
Ach, du trainierst ihm deine Angriffsmuster an!
Ja, das hat ja auch schon öfter in schwierigen Duellen funktioniert, nicht wahr?
Kann nicht antworten - da ist der andere wieder in der Offensive. Er hat sie zurückgenommen, ohne groß darum kämpfen zu müssen, die Schwerter sausen auf uns herab und wir müssen ausweichen, parieren und Klingen beiseite schlagen mit höchster Konzentration. Die Winkel unserer Waffen müssen perfekt sitzen, damit seine Hiebe richtig abgleiten - der Griff eines Balrogschwertes hat keinen Handschutz. Die konkave Konstruktion ist so gedacht, dass Abpraller immer nach außen fliegen, aber das weiß der andere selbstverständlich. Darum lässt er seine nach innen gebogene Klinge immer wieder am Rücken meiner Waffen nach unten gleiten, um meine Finger zu erwischen, was tödlich wäre obwohl ich sie schnell neu formen kann. Bald schon kenne ich jede Unregelmäßigkeit im grob geschmiedeten Stahl meiner Schwerter, um den Weg der seinen nach unten daran aufzuhalten.
Endlich, nach vielen, vielen solchen spontanen Berechnungen, verliert sein Angriff an Schwung. Das ist der Nachteil seiner Fleischhülle; für immer kann er nicht mit voller Kraft zuschlagen. Dennoch ist er noch sehr gefährlich. Was Zweiter und ich wissen. Aber solange er in dieser kurzen Verschnaufpause ist, können wir wieder etwas versuchen. Rechts, links, links! Hat er es begriffen?
Da...die Gelegenheit für den angetäuschten Ausfall nach rechts!
Und das will er.
Richtig.
Darum greifen wir jetzt tatsächlich an! Wir trainieren, nicht er!
Moment, jetzt kommts mir erst - wenn er auch versucht, uns in ein Muster zu zwingen, dann kennt er die Taktik ja!
Ach, das begreifst du erst jetzt?
...was war denn dann der Sinn deines Trainings? Er wird es durchschauen!
Er soll glauben, dass wir genau das nicht wissen, natürlich!
Das...ist Wahnsinn! Was, wenn du ihn überschätzt und er in Wirklichkeit gar nicht so schlau ist?
Dann stirbt er jetzt so oder so.
Der Zweite täuscht wieder den Ausfall nach rechts an, der uns bisher immer die kleinen Siege gebracht hat. Aber jetzt wird die Täuschung echt - er greift tatsächlich an, was uns weit offen lässt. Da, wie ich vermutete! Der Balrog dachte, er kann uns wieder ins gleiche Muster locken, und sein Konter geht daneben. Jetzt können wir erstmal eine ernstzunehmende Offensive wagen. Rechts! Links! Und...da blitzen die Augen des Balrogs. Noch mal links? Nein, wir haben schon einmal Muster gebrochen...also werden wir das jetzt auch...und er weiß es! Zweiter, er weiß es! Dass wir dieses Mal nicht links angreifen...und das heißt...
Sein Schwert fährt uns in die Seite. Nein! Tief dringt es ein, und wir erstarren für einen Augenblick. Die andere Waffe saust auf unseren Hals zu...
"Nein!", schreit der Zweite...reißt beide Schwerter hoch, um den tödlichen Hieb abzuwehren...aber das wird nicht...
Wir werden zur Seite gerissen, als der Balrog sein rechtes Schwert aus unserer linken Flanke entfernen will. Aber der Zweite hat es fest umklammert. Der Halstreffer prallt ab...
"Vergiss es, Belial!"
Aber....natürlich! Dieses eine Mal, obwohl der Treffer nur verbal ist, stutzt unser Gegner für einen winzigen Augenblick. Ohne den winzigen Moment des Zögerns hätte er sein Schwert schon längst einfach nach hinten aus uns herausgezogen statt weiter zu versuchen, es durch den Ton der Seite zu reißen und uns entscheidend zu schwächen. Aber dieser Moment...ist genug.
Und da hackt der Zweite ihm die gefangene Schwerthand ab.
Das geringere Übel stolpert zurück. Heißes Dämonenblut zischt aus dem Stumpf. Sofort setzt der Zweite nach...
Und eine Schmerzexplosion trifft uns im Rücken. Wir werden zu Boden geschmettert, zwischen Wogen aus Feuer, Eisstarre und Blitzkrämpfen. Nutzlos klappert das Schwert auf den Stein, das Belial ein weiteres Mal seines Körpers berauben hätte sollen.
"Du sagtest...du würdest nicht..."
"Ja, ich schätze, da habe ich wohl gelogen. Wie unerwartet", ätzt Belial zurück. Er begutachtet seine Verletzung mit akademischem Interesse. "Wie bist du darauf gekommen?"
"Jeder braucht seine Geheimnisse", ächze ich. Der Balrog hebt eine Augenbraue, und drei weitere Geschosse schlagen in mich ein. Hätte ich Lungen, müsste ich keuchen; irgendeine Reaktion kann ich mir auf keinen Fall verkneifen.
"Ich könnte dich gleich vernichten, aber du hast ein klares Interesse daran, länger mit mir zu reden, um dir einen Plan auszudenken, wie du den Kristall doch noch zerstören kann, Golem. Also - rede."
Dieser verdammte...
"Ich werde misstrauisch, wenn man meine besten Taktiken nicht nur sofort durchschaut, sondern auch noch versucht gegen mich einzusetzen", antwortet der Zweite.
"Das zu bemerken war ein Meisterstück", erkennt Belial an. "Besonders in der Hitze des Gefechts. Man könnte fast meinen, du hättest einen zweiten Geist in dir, der nur mit Denken beschäftigt ist."
Dazu schweigen wir weise. Der Portalkristall ist nur drei Meter entfernt...aber ich kann kaum aufstehen, geschweige denn die Distanz überbrücken! Vielleicht wenn ich mich zerfließen lasse...
Das Eis erwischt uns und dann sind wir auf jeden Fall zu langsam. Red weiter mit ihm - wir müssen unsere Kräfte sammeln. Ich versuche, die Oberfläche gleich aussehen zu lassen und den Ton darunter zu heilen.
Nach kurzer peinlicher Pause fährt Belial fort. "Egal - wirklich, du bist immer wieder ein beeindruckender Gegner. Wenn dein Meister erst mein Diener ist, werde ich dir jeden Körper geben, den du dir wünschst. Die Engel werden vor dir zittern, Dorelem!"
"Soweit kommts noch. Wenn wir Baal vernichtet haben, können wir dich gleich als nächstes auf die Liste setzen!"
"Ein perfider Plan. Es war ja auch bisher so nachhaltig erfolgreich, wenn du meinen Körper vernichtet hast. Oder habt ihr noch ein, zwei unbenutzte Seelensteine herumliegen? Vielleicht findet ihr sogar welche ohne Sprünge, sonst muss der General noch für mich Tal Rasha spielen. Das wäre ein Spaß."
Der Zweite übernimmt. "Du kannst deinen Schwefelabort behalten. Der Meister kommt einfach überhaupt nicht in die Hölle."
"Das klingt ja schon wieder ganz anders. Bist du dir da selbst etwa nicht ganz einig?
...hoho, könnte man fast meinen. Aber das wird sich ja vielleicht bald ohnehin als unsinnige Aussage bewahrheiten; es muss doch einen guten Grund geben, dass du alleine hier bist. Gibt es etwa Probleme im Kampf gegen meinen werten ehemaligen Vorgesetzten?"
Ich schweige eisern. Belial schüttelt den Kopf, dann werde ich wieder von Geschossen befeuert.
Hab schon getroffene, verbrannte und gefrorene Tonstücke dazwischen geschoben. Wir sind viel weniger verletzt, als er denkt! Red weiter, dann schießen wir einfach eines von denen in sein Gesicht und zerschmettern den Kristall!
"Du hast drei Sekunden, bevor ich deinen Körper vernichte und Baals lächerliche Armeen machen lasse, was sie ursprünglich vorhatten."
Mir kommt etwas. "Du weißt nicht genau, was das ist, oder?"
"Mach dich nicht lächerlich!", höhnt Belial. "Er greift den Arreat mit allem an, was er hier 'heimlich' zusammenkratzen kann. Und ich lasse ihn in dem Glauben, dass ich immer noch nichts davon weiß, mit seinen lächerlichen Inseln, die er hier und da verstreut hat. Dieses Portal führt auf das Gebiet, das die Barbaren Eishochland nennen. Denkst du, ich bin nicht darüber informiert, was in meiner Hölle vor sich geht? Bisher hatte ich dich für schlauer als Baal gehalten!"
Da teleportiert sich plötzlich ein Ritter heran und läuft zu Belial. Dieser runzelt auf eine Weise die Stirn, die mich vermuten lässt, dass die Nachricht im Interesse des Boten besser sehr wichtig sein sollte. Informationen werden übergeben auf eine Weise, die ich nicht abhören kann. Das Stirnrunzeln vertieft sich, aber der Bote darf erst einmal leben.
Ha! Das könnte doch tatsächlich...
...unser zweiter Spieler in diesem Spiel sein! "Sag bloß, das mit der Kontrolle ist doch nicht ganz absolut? Stört dich eine kleine Made namens...Azmodan?"
Belials Fuß fährt auf unseren Kopf herab. Ton spritzt in alle Richtungen.
Ach verdammt!
Schwärze versucht, mich zu packen, aber ich kämpfe.
"Noch da?", holt mich ein Säuseln von Belial zurück in die Realität.
Ich forme den Kopf wieder, jetzt in etwa auf unsere alte Größe reduziert. "Dachte ich mir doch, dass dir die Wahrheit weh tut."
"Und dir ihr Verschweigen, Dorelem. Du wolltest das Portal schließen - allein. Was macht der General derweil? Verrätst du ihn gerade? Weiß er überhaupt, dass du hier bist?"
Komisch, ich habe gar keine moralischen Bedenken, ihn anzulügen. "Der General muss nicht alles wissen, genausowenig wie du. Eine Kopie von mir ist bei ihm - ich decke unseren Rücken, weil er mir nicht glauben wollte, dass es hier unsicher ist."
Für einen Moment blickt mich Belial neutral an, dann bricht er in schallendes Gelächter aus. "Du hattest mich fast nach dem ersten Satz! Aber leider bin ich doch ein wenig besser als du, was Lügen angeht. Denk daran, eine Lüge ist dann am besten, wenn sie quasi vollständig aus Wahrheit besteht. Kopie, dass ich nicht lache..."
Er schnippt mit den Fingern. "Und das heißt, meine erste Theorie stimmt. Der General hat Probleme da draußen. Aber welcher Art...möchtest du noch eine offensichtliche Lüge versuchen?"
Hat er gerade...ja, verdammt, er hat mit der rechten geschnippt.
Ihn hier unten alleine zu lassen hat ihn gewaltig gestärkt. Hoffentlich kann Azmodan ihn genug ablenken. Bist du bereit? Mir gehen die Ideen aus.
Los.
"Wie wärs damit: du hättest nicht vor Wut näher an mich treten sollen", sage ich neutral. Dann packe ich sein Bein, und zwar mit meinem Kopf, aus dem schnell Hände wachsen. Jetzt werfe ich ihn um, und dann...
Ein Schwert hackt mir den frisch geformten Arm ab, der eigentlich nach der Balrogwaffe neben mir greifen wollte. Der Bote!
Belial schüttelt mich ab. "Guter Versuch. Du bist also durchaus etwas verzweifelt, weil du natürlich weißt, dass du ohne das Portal nicht zurück kommst."
Er starrt in die Richtung des selbigen, welches von der Mauer um die Kristallplattform verdeckt wird. "Ich sollte wirklich einfach selbst..."
"Aber Meister...!", unterbricht ihn da der Bote.
Belials Augen blitzen, sein Arm schießt zur Seite, packt den Ritter an der Kehle und reißt ihn in die Luft. Bevor er auch nur einen Laut der Überraschung von sich geben kann, durchzuckt ihn von oben bis unten ein grünes Feuer, das ihn restlos auslöscht.
Er...hat, glaube ich, von Anfang an nur mit uns gespielt.
"Ich habe beim ersten Mal verstanden, was 'eilig' bedeutet", flüstert Belial. Dann wendet er sich mir zu.
"Zu schade, dass wir dieses Gespräch nicht fortsetzen können. Also überlassen wir die Sache doch ein wenig dem Schicksal. Falls du den General noch lebendig wieder siehst, sag ihm, dass er meinen Segen hat, weiter zu versuchen, Baal zu vernichten. Aber wenn er jetzt daran stirbt, dass ich dich nicht zu ihm zurück lasse, ist das auch nicht tragisch, weil ich ihn eigentlich hier brauchen kann. Darum bekommt er diese Chance von mir..."
Er zerschmettert den Portalkristall in seiner Faust.
"...und wir sprechen und auf die eine oder andere Weise später."
Drei Eisschüsee treffen mich. Verstärkter Schaden landet auf mir. Ein Schwert fährt herab und spaltet mich sauber in zwei Hälften. Ich kann die Schwärze nicht einmal lang genug aufhalten, um Belial zu verwünschen.
Aber es ist ja keine wirkliche Schwärze. Ich stehe wieder vor der Höhle, in der der Meister und Emund sich vor dem Sturm zurückgezogen haben, der schon um Einiges nachgelassen hat.
"Natürlich habe ich eine Kopie zurückgelassen", murmle ich, als ich den Homunkulus-Körper wieder auf Normalgröße wachsen lasse. "Herr der Lügen, an meinem Tonarsch."
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