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Ich denke, also bin ich

von Simon Salzl aka TwinYawgmoth

Teil 5 - Trang Ouls Triumph

Kapitel 28 - Fehdehandschuh

Langsames Stapfen kann sehr schnell scheinen, wenn jeder Schritt gut fünfmal so lang ist wie der eines Menschen. Oh, und den Boden zum Zittern bringt, obwohl man selbst noch weit entfernt ist. Aber immer weniger weit.
Wir müssen das Ding aufhalten, bevor es dem Meister zu nahe kommt!

Wir können auf keinen Fall alleine vorstürmen. Seine Eskorte wird uns zerlegen.

Die Tentakelmonster? Was ist denn an denen das große Problem?

Die Menge natürlich! Gegen einen von ihnen sind wir quasi immun, aber lass fünf von ihnen uns durchbohren und wir sind auch festgehalten. Dann tritt der Dicke auf uns und der Meister kann sich ein neues Metallskelett bauen lassen, gleich nach dem Ersatz für seine eigenen pulverisierten Knochen.

Oh, und was ist mit, ich weiß nicht, ausweichen?

Dir ist es vielleicht noch nicht aufgefallen, aber wir bestehen aus einem massiven Skelett mit einigen Kilo Tonüberzug, nicht mehr einem dünnen Flämmchen ohne Masse. Das beschränkt uns ein wenig.

Nein, tut es nicht?
Ich schüttle unseren Körper kurz - und der gesamte Ton bröckelt ab. Ich verstärke die Flamme, sodass wir nach außen ein ähnliches Volumen wie vorher einnehmen. Dann renne ich los.

Das nimmt uns eine ganze Menge Möglichkeiten!

Und gibt uns die, die wir brauchen! Himmel, warum bist du eigentlich so schlecht im Improvisieren?
Das Schweigen des Zweiten wirkt verletzt. Auch deswegen, weil ich immer mehr von seinen Gefühlen mitbekomme. Aber ich habe doch Recht - ich bin immer der, der sich Dinge einfallen hat lassen. Die ganzen Techniken dieses Körpers, die er mir im letzten Kampf demonstriert hat, waren beeindruckend, aber er scheint auf die beschränkt zu sein und auf keine neuen Ideen zu kommen. Wenn ich es recht bedenke, war das auch schon immer der Unterschied in unseren Kampfstilen - er verlässt sich auf brutale Gewalt, um die Gegner einzuschüchtern; in seinen Methoden, seine Widersacher möglichst grausam zu zerstückeln, ist der größte Teil seiner Kreativität verschwendet. Darum bevorzugt er auch Klauen, während ich sofort meine Liebe zu Schwertern entdeckt habe; der Kampf mit ihnen erfordert eine gewaltige Menge an spontanten Entscheidungen, Finten, Plänen, Erkennen von Mustern im Verhalten des Gegners, alles Dinge, die sich nicht in feste Regeln zwingen lassen. Durch die konstante Übung auch gegen wahre Meister wie Belial bin ich sogar mehr als passabel geworden, nicht zuletzt deswegen weil ich perfekt aus Fehlern lernen kann. Jede Bewegung, die ich je falsch gemacht habe, ist mir schließlich ins Gedächtnis gebrannt. Jede Taktik, die einmal funktioniert hat, kann ich replizieren oder intelligent modifizieren. Und ich denke viel schneller als ich handeln muss.
All das könnte der Zweite aber auch - also warum tut er es nicht?
Der erste Tentakel zischt heran, ich ducke mich darunter weg. Ich sehe, wie sich zwei herangraben, also springe ich schnell nach vorne, rolle mich ab und hechte wieder hoch, während die Spitzen der tödlichen Pfählwaffen sich hilflos hinter mir aus dem Boden graben. Ich bin nah genug bei einem der Gegner, um ihn mit einem Flammenfinger zu packen, in die Schussbahn eines seiner Kameraden zu ziehen und damit den Angriff genug abzuschwächen, dass er zwar zwischen meine Rippenbögen dringt, aber nicht zu tief; ich werfe die Leiche zur Seite, das war nur eine günstige Gelegenheit, aber die Eskorte ist nicht mein Ziel. Es ist...
Die Pranke trifft mich voll und schleudert mich meterweit durch die Luft. Während ich fliege, habe ich genug Zeit, mich von der Überraschung zu erholen, wie lang die Reichweite der Bestie eigentlich ist. Meine eine Seite ist schwer eingedellt, aber solange ich keine großen Stücke verliere, ist das schnell genug behoben. Ich lande unsanft, rolle eine Schneise in den Schnee, aber nur mit den Knochen; das Feuer spare ich mir auf, ziehe es um die Knochen zusammen, heize die verletzten Stellen blitzschnell auf und forme das flüssige Material wieder in den Ursprungszustand zurück. Das kostet mich allerdings recht viel Energie; die nächsten paar Minuten könnte ich sicher keine Flammenteppiche auswerfen, wie der Zweite es im letzten Kampf vorgemacht hat. Stattdessen überziehe ich mich mit einer dünnen, aber harten Schicht Ton aus dem Boden, damit der nächste Schlag, sollte ich wieder einen Fehler machen, nicht ganz so schwer trifft.
Ein Tentakel durchstößt meine Augenhöhle und holt mich von den Beinen, da meine Schädeldecke hält. Rechtzeitig schaffe ich es, mein Gleichgewicht zu finden, lande auf den Füßen, packe das Fleisch in mir und durchbohre es mir der freien Hand. Es zuckt um meine Klauen, aber ich lasse nicht locker, schließe meine Finger darum und reiße meinerseits den Dämon von den Beinen; meine eigenen umgebe ich mit einem festen Sockel aus Erde, ähnlich dem Knochenschutz, den der Meister für sich aufgezogen hat. So verankert schwinge ich meinen Gegner im Kreis um mich herum und werfe mehrere seiner Kollege um, bevor ich mein Opfer auf den Hünen schleudere. Ein lautes Knacken verrät mir, dass das Genick des Geschosses gebrochen ist, aber er prallt nur effektfrei von der Rüstung ab. Kurz darauf detoniert er noch in der Luft, was die Belagerungsbestie kurz wegzucken lässt, aber auf keinen merklichen Einfluss auf ihr unaufhaltsames Voranschreiten hat. Ich studiere die Flanke des Monsters, während ich darauf zulaufe. Hier ist das Kniegelenk der Einschalung, manchmal sieht man einen Quadratzentimeter Reptilienhaut; aber selbst diese wirkt so zäh, dass ich bezweifle, nur mit Feuer etwas ausrichten zu können; und meine Klauen sind zu kurz. Aber für andere Zwecke sind diese Lücken nützlich...zumal ich keine Finger brauche, die eingeklemmt werden könnten. Dekorative oder angewachsene Knochendornen ragen aus dem gepanzerten Rücken; auch diese könnten...ich festige meinen Plan. Jetzt noch den richtigen Zeitpunkt in seinem Gehzyklus abpassen...
Tief aus dem Stahlhelm blitzt ein Dämonenauge rot hervor.

Vorsicht!

Zu spät bemerke ich, was passiert ist, als ein Tentakel heranschießt...und meinen Arm an der Schulter abtrennt. Über meinem Kopf tanzt die orange Flamme des verstärkten Schadens; das Monster kann auch noch verfluchen?

Es ist ein Held! Sie meinen es ernst!

Wir auch!
Geistesgegenwärtig fange ich meinen Arm in der Feuerhülle auf, die mich schwach umgibt, und halte ihn so notdürftig fest. Das ändert den Plan. Hastig weiche ich dem nächsten Tentakel aus, hechte zur Seite statt nach vorne, überrasche einen Dämon, auf den ich direkt zulaufe; ich werfe meinen eigenen Arm nach ihm, die ausgestreckten Klauen bohren sich in seine Kehle, dann hole ich mein Wurfgeschoss wieder zurück. Glatt gleitet es aus der kauterisierten Wunde, und bevor der Gegner umfällt, bin ich auf seine Schultern gesprungen, stoße mich ab und fliege, einen Feuerschweif hinterlassend, noch ein wenig weiter...die Klauen meiner noch angebrachten Hand bohren sich in die Lücke zwischen zwei Beinplatten des gigantischen Helden.

Und jetzt?

Daran arbeite ich noch.
Ein Heben, Senken, Stampfen des Beinstamms lässt mich unsanft gegen das Metall prallen, aber mein Griff hält. Hektisch arbeite ich daran, meinen Arm wieder anzuschmelzen. Der Zweite greift sich ungefragt die Kontrolle über meine Beine, tritt damit Tentakel weg, die von unten nach uns schlagen; zum Glück sind sie dafür gebaut, sich in den Boden zu graben, und hier oben wenig effektiv. Jetzt glaube ich, dass ich meiner Schulter halbwegs vertrauen kann. Ich teste sie gleich aus indem ich über mir nach einem weiteren Halt greife, aber finde ihn nicht. Wenn ich den Rückenstachel erreichen könnte...

Das wird nie etwas.

Wetten?
Ich reiße unseren Körper nach oben, fliege mit ausgestrecktem Arm nach oben...
Da stürzt die Bestie nach vorne, um mit einem Schwinger drei Skelette zu pulverisieren. Der Knochendorn ist außer Reichweite und ich falle. Der Zweite dreht uns sofort so, dass wir auf den Beinen landen, angenehm ist es trotzdem nicht. Und der nächste Schritt des Giganten wirft uns um, bevor wir das Gleichgewicht gefunden haben; zwei Tentakel bohren sich zwischen unsere Knochen.

Du hast verloren.

Freu dich nur schön darüber, das ist jetzt hilfreich.
Ich stelle fest, dass ich den Körper nicht genug aufheizen kann, damit es den Fleischfortsätzen in uns unangenehm wird; stattdessen sauge ich Ton aus dem Boden und verenge ihn um sie, bis die Gegner keine Wahl haben als zurückzuziehen, bevor ich ihre Waffen zerquetsche. Direkt kommen wir da nicht hoch...aber wenn wir...
"General! Kannst du ihn zum Stolpern bringen?"
Kommentarlos flucht der Meister Schwächen und zieht eine Knochenwand in den Weg des unaufhaltsam heranrumpelnden Monsters; das plötzliche Hindernis verfängt sein erhobenes Bein, er gerade ins Wanken - und fällt auf ein Knie. Sofort schwärmen die Skelette näher heran, um die Tentakeldämonen im Nahkampf zu beschäftigen, wovon der Dicke sie bisher abgehalten hat...und ich habe meine Chance.
Mit einem Hüpfer auf die gepanzerte Ferse bereite ich meinen Sprung vor, und von da komme ich hoch genug, gerade als der Fuß unter mir sich wegbewegt. Meine Hand schließt sich um den Knochendorn und ich ziehe mich auf den Rücken des Monstrums, dessen Schwung beim Hochhieven mich entscheidend dabei unterstützt.

Und jetzt?

Lücken in der Rüstung...

Schaffst du es zum Auge?

Riskant. Gelenke?

Von hier oben genauso schwierig.

Hat er uns überhaupt schon bemerkt?
Eine Klaue fegt plötzlich nach oben, und ich habe meine Antwort. Ich rolle zurück, vermeide sie gerade so, falle beinahe, aber fange mich wieder an einem der Dornen.

Ha, wenn sie seine Rüstung schnörkellos gemacht hätten, wären wir chancenlos!

Da sehe ich, dass der Schlag eine der Platten gelockert hat. Wenn wir da Zugang finden...!
Ich laufe nach vorne. Ja, da spitzt nackte Reptilienhaut nach draußen! Beide Klauen erhitzen sich, ich reiße sie über meinem Kopf hoch und ramme sie mit voller Gewalt nach unten.
Wenige Zentimeter dringe ich ein, für mehr reicht es nicht. Gerade genug, um Schmerz spüren zu lassen. Die Bestie brüllt, bäumt sich auf, und meine Füße verlieren Bodenhaftung. Ich falle nach hinten...und fange mich an dem Feuerseil, das ich um den Rückendorn geschlungen habe. Ich schwinge um das Hinterteil des Monsters, wieder nach oben und bekomme einen zweiten Dorn zu fassen. Von dort werfe ich einen schnellen Blick über das Schlachtfeld. Die Tentakeldämonen sind größtenteils besiegt; die Magier haben die unter Kontrolle, die die Skelette während der kurzen Zeit ungestörten Angreifens und mein ursprünglicher Ansturm nicht ausschalten konnten. An der Panzerung des Helden jedoch prallen alle Schüsse ab. Da stellt sich ein Wächter dem Koloss in den Weg, Schild erhoben; für einen Moment verwirrt mich das, bis ich die Eiserne Jungfrau über den Kopf meines Reittiers sehe. Ein Grinsen breitet sich auf meinem Feuergesicht aus, als die Faust auf den Wächter niederfährt; es schwindet jedoch, als der Schläger nur kurz verdutzt innehält, irritiert die Pranke schüttelt und weiter voran donnert.

Der Schaden, den ein einzelnes Skelett reflektieren kann, ist bei Weitem nicht genug, um ihm signifikant weh zu tun!

Ein einzelnes, huh?
Mitglieder der Armee tragen Leichen hinter dem Giganten her, versuchen, sie als Minen unter seine Füße zu bekommen, aber nicht einmal die mächtige Kadaverexplosion kann ihn aufhalten. Bald ist er beim Meister - und ich weiß nicht, ob ich ihn überhaupt verletzen kann!

Die Augen!

Aber am Kopf hat er keine Dornen, wenn er mich bemerkt, verliere ich den Halt - und noch eine Chance bekommen wir nicht, ihn zu besteigen! Hilflos werde ich Feuerbälle auf den Helm, aber das führt nur zu einem weiteren Wischen der Pranke über den Rücken, als wäre ich ein Insekt. Gerade so kann ich mich wegducken, wohl nur, weil er vorsichtiger ist nach dem letzten Mal, als er die Rückenplatte verschoben hat.
Nein, der irrsinnige Schaden, den er anrichten kann, ist sicher der Schlüssel...
"General! Spreng nicht die Leichen, mach so viele Skelette wie möglich! Stell sie ihm gemeinsam in den Weg!"
"Das wird euch genausowenig helfen, Wicht!", donnert es plötzlich von unten. Ich packe meinen Halt fester und antworte dem Helden. "Doch ein Gesprächiger? Wir werden nicht vor dir einknicken! Das ist der General, der zwei große und drei geringere Übel vernichtet hat!"
"Und Dresch Zocker wird nun ihn zerstampfen", rumpelt es zurück. "Bald zerfällst du ins ewige Vergessen, Golem!" Das große Problem dabei, dass er mich versteht, ist, dass ich dem Meister nun den Plan nicht erklären kann...hoffentlich begreift er...
"Das ist also euere mächtige Armee aus Skeletten, was?", höhnt Zocker. Vor ihm haben sich die Krieger aufgebaut, und tatsächlich, viele sind frisch erschaffen. Sogar die Magier sind dazu getreten. Versteht der Meister?
"So viel sind sie wert!", brüllt die Bestie und stampft auf den Boden.
Manche Skelette stürzen. Aber sobald sich das gewaltige Bein hob, hat der Meister Knochengefängnisse um seine Krieger gezaubert; so bleiben diese auf den Beinen. Schnell helfen sie ihren Kameraden hoch...und heben sie höher. Mehr von ihnen klettern auf die Schultern der anderen, und im Handumdrehen steht eine Skelettpyramide vor uns, die Dresch Zocker in die Augen sehen kann.
"Hm", schnaubt er. "Das ist ja süß. Und macht es mir deutlich einfacher!"
Er breitet die Arme aus...noch nicht, noch nicht...
Die Bewegung beginnt.
"Eiserne Jungfrau, General!"
Für einen beinahe zu langen Moment zögert der Meister, dann landet der Fluch kurz bevor die Handflächen um die Skelette zusammendonnern.
Alle zusammen werfen den tödlichen Schaden, den sie erhalten haben, auf Dresch zurück; und jetzt zuckt er das erste Mal einen vollen Schritt zurück, vom Schmerz einen Moment betäubt.
Nun sehe ich aber auch, was der Meister geplant hat; eines der Skelette, bewaffnet mit einer ungewöhnlich langen und schweren Lanze, hat überlebt - es war ganz an der Spitze der Pyramide. Und ist kurz vor deren Vernichtung gesprungen. Der Meister hat aber nicht damit gerechnet, dass Dresch durch die Jungfrau zurückzuckt; also fällt das Skelett, der Sprung war nicht weit genug...
Ich fange es mit einem langen Feuerarm, gleichzeitig laufe ich los. Jetzt oder nie! Gegenüber von mir hebe ich den Lanzenträger hoch, springe vor, und wenngleich der Kopf der Bestie wankt, er begreift nicht schnell genug, dass er hätte schütteln sollen. Die Finger unserer Hände sind verschränkt, die Arme hängen an beiden Seiten des dicken Halses nach unten. Das Skelett und ich stützen uns gegenseitig - und am Kinn des Zockers finden wir einen Halt für unsere Füße. So holen wir gleichzeitig aus, eine Knochenlanze und eine aus Feuer bereit, auf unser Ziel gerichtet, je ein glühend rotes Dämonenauge tief in einem Helm aus Dämonenstahl.
Der Knochen schabt an meinem Handgelenk vorbei. Feuer züngelt um den Arm des letzten Skeletts der Armee.
Dresch Zocker hat ausgebrüllt. Nur mehr ein hilfloses Pfeifen entweicht seinen Lungen, und dann fällt er wie ein Erdrutsch. Nach vorne.
Gerade so schafft der Meister es, die Knochen um sich aufzulösen, stolpert rückwärts - und der Aufprall des Giganten wirft ihn von den Beinen.
Ich lande sanft, schlendere zu ihm und möchte ihm eine Hand anbieten, aber er hat sich schon alleine hochgestemmt. "Befehl erfüllt", erkläre ich. "Nur sein Sturz hat dich umfallen lassen."
Er funkelt mich an. "Schön, dass ich mich auf deinen Gehorsam so verlassen kann, Dorelem."
Während er sich Schnee von der Rüstung klopft, eruptiert Dresch Zockers Kadaver plötzlich in einem Schauer aus Fleischstückchen. Zwischen den Panzerplatten treten neue Skelette hervor.
Fast Verschwendung, diese Mengen an Metall einfach liegen zu lassen...
Hm.
Wenige Minuten später starren wir eine fast senkrechte Felswand hoch.
"Klettern behagt mir so gar nicht", bemerkt der Meister.
"Es soll eine Höhle geben, durch die wir einfach höher gelangen können."
Er hebt eine Augenbraue in meine Richtung. "Und woher weißt du das?"
"Ich rede mit Leuten", beiße ich zurück. Sein Mund verzieht sich, aber ich lasse nicht locker. "Und wenn du nicht gar so schnell davon gestürmt wärst, wüsste ich auch noch eine weitere Abkürzung. Davon wollte Anya mir nämlich erzählen, gerade als du mich durch den Wegpunkt gerissen hast."
Er zuckt mit den Schultern. "Die drei Novizennasen haben auf mich gewartet. Da ich dich nicht zur Ablenkung da hatte, habe ich mich verzogen." Ich breite ungläubig die Arme aus. "Wie kannst du mir das so locker erzählen und dich nicht gleichzeitig abscheulich und feige finden?"
"Du wärst überrascht, wie leicht mir das fällt", brummt er. "Also, wo ist diese Höhle?"
"Vermutlich in der Felswand! Genauere Beschreibungen gibt es nur, wenn man nett Leuten ist, die einem ohnehin helfen wollen!"
"Wir gehen nach rechts", beendet der Meister eisig die Unterhaltung.
Tatsächlich war es die richtige Richtung, und ein offensichtlicher Höhleneingang präsentiert sich uns. Und noch etwas - ein Wegpunkt davor, sauber eingezäunt!
"Begrenzt praktisch, aber ich nehme ihn", erklärt der Meister. "Wie heißt die Gegend?"
"Arreat-Hochebene", antworte ich abwesend.
"Wenn ich dazu anmerken dürfte", meldet sich der Zweite. Der Meister nickt, dann erst redet der Zweite weiter. "Die Barbaren würden garantiert eine Lieferung bereits verarbeiteten Metalls schätzen. Dresch Zockers Panzerung liegt nicht fern von hier und die Skelette könnten sie komplett tragen. Wenn wir sie mit dem Wegpunkt in die Stadt schaffen, ist es sicher möglich, dafür etwas über diese mysteriöse Abkürzung zu erfahren."
Der Meister zuckt mit den Schultern. "Es ist einen Versuch wert und kostet kaum Zeit."
Schon machen sich die Skelette auf den Weg zurück, während der Meister den Wegpunkt aktiviert. Kurz darauf kommen wir in der Stadt an, die Krieger voll beladen.
Mehrere Barbaren, die auf dem Hauptplatz eher lustlos Wache hielten, springen hastig auf die Füße, aber der Meister beschwichtigt. "Bin nur ich, und ich habe Geschenke dabei. Möchtet ihr Larzuk Bescheid sagen, der will sicher einen Blick darauf werfen?"
Ich bemerke, dass Hunradil in der sich schnell sammelnden aber überschaubaren Menge steht und gerade etwas zu einem Barbaren gesagt hat. Jetzt nähert er sich und ich tippe dem Meister bewusst übertrieben auf die Schulter.
Er seufzt theatralisch, als er sich zu dem Novizen umdreht. "Habe ich euch nicht gesagt, ihr sollt mich in Frieden lassen?"
"Du hast nicht viel gesagt, bevor du davon gelaufen bist", ätzt Hunradil zurück. "Hast du Angst vor uns? Wir sind bereit, ein ruhiges Gespräch mit dir zu führen, obwohl jeder von uns Gründe hätte, dich niederzubrüllen. Bist du dazu etwa nicht in der Lage?"
"Ich bin auch nicht an einer zivilen Konversation mit den Fliegen interessiert, die ich wegscheuche." Der Meister dreht sich weg, weil Larzuk aufgetaucht ist. "Oder zerquetsche", fügt er halblaut hinzu, bevor er den Barbaren anspricht. Ich beschließe, nicht zuzuhören und geselle mich stattdessen zu Hunradil.
"Keine Ahnung, was ich tun soll, wirklich."
Sein Blick ist unverhohlen feindselig. "Ach wirklich."
Da kommen Lixt und Dostrian. Die drei Novizen nicken einander zu, dann fühle ich etwas sehr Angenehmes, als Lixt zu mir tritt und eine Hand auf meine Schulter legt. "Du hast es nicht geschafft, ihn zu überzeugen, oder?"
"Ich würde ja sagen, ich hatte keine Gelegenheit, aber in Wirklichkeit war ich zu sehr damit beschäftigt, damit klarzukommen, dass er sich quasi aus der Stadt hat werfen lassen."
"Dafür scheint er jetzt ja doch wieder recht beliebt zu sein...", merkt Dostrian trocken an.
"Meine Idee", flunkere ich. "In Wirklichkeit will er etwas von ihnen...das könnte fast die einzige Möglichkeit für euch sein, an ihn heranzukommen. Wenn ihr nicht wie ich krampfhaft darauf hofft, dass er seine goldene Seelenfalle sofort auszieht, sobald Baal gefallen ist."
"Und das ist beschlossene Sache?", stichelt Hunradil.
Ich seufze. "Es kommt mir zumindest deutlich schaffbarer vor als ihn nur mit Worten von seinem Weg abzubringen."
Dostrian schießt einen Blick zu jedem von uns. "Nur mit Worten, hm?"
Hunradil schlägt eine Faust in die Handfläche. "Wenn wir schnell genug handeln..."
Eine vage Hoffnung flammt in mir auf, aber da springt der Zweite in den Vordergrund und zertritt sie. "Ich bin unter seiner absoluten Kontrolle. Selbst wenn ich euch helfen sollte, ein Wort von ihm und meine Klauen landen in euren Kehlen."
"Kling nicht gar so begeistert", knurrt Hunradil. Lixt wird kurz bleich, ich fühle mich ähnlich, aber dann formen ihre Lippen die "Zweiter?"-Frage, und ich nicke ihr unmerklich zu, wenigstens an dieser Front beruhigt.
Da bemerke ich, dass der Meister mit Malah geredet hat...und auf unsere Gruppe deutet. Die Barbarin wirft uns einen Blick zu, scheint kurz zu überlegen, zu einer Entscheidung zu kommen, und deutet dann zuerst auf drei Krieger, dann auf uns.
Die Barbaren stapfen auf uns zu, an mir vorbei, und packen Dostrian, Hunradil und Lixt an den Oberarmen, bevor diese reagieren können. "Was soll das?", protestiere ich. Malah schüttelt übertrieben den Kopf in meine Richtung; sie will, was auch immer hier vor sich geht, offenbar schnell über die Bühne bringen. Der Meister ignoriert ihren unausgesprochenen Wunsch, tritt zu uns und versetzt dem wehrlosen Dostrian eine Ohrfeige mit voller Wucht. Die Schuppen seines Handschuhs reißen Wunden in die Wange des Novizen.
Lixt keucht. Hunradil reißt den Mund auf und wilde Flüche auf den Meister entfahren ihm. Ich trete einen Schritt nach vorne...
"Keinen Zentimeter wirst du dich bewegen, Dorelem."
Ich muss inne halten, kann nicht mal vor Wut zittern. Aber im Gegensatz zu einem Menschen muss ich keinen Muskel bewegen, um etwas zu sagen.

Nein! Du wirst die Klappe halten, sonst machst du garantiert alles noch viel schlimmer!

Ich muss etwas tun!

Du kannst nichts tun - seit Monaten nicht! Sieh es endlich ein!

Der Meister packt Hunradil am Kinn und zieht seinen Kopf ganz dicht an den eigenen.
"Sei still", erklärt er, und Hunradil gehorcht. Der Meister tritt weit genug zurück, um alle drei Novizen gleichzeitig ins Auge fassen zu können.
"Ihr habt hiermit die eindeutige Weisung erhalten, mir nie wieder unter die Augen zu treten. Meine Freunde werden euch wegsperren, weil euere bloße ablenkende Existenz eine Gefahr für meine Mission darstellt. Unabhängig davon, ob ihr etwas mit dem Tod von Emund zu tun habt, sind Verräter grundsätzlich nur als Leichen in meiner Nähe geduldet."
Emunds...ernsthaft?

Natürlich - er hat Malah gesagt, dass sie als Totenbeschwörer natürlich genauso den Mord verübt haben könnten. Die Jungen haben kein Alibi, und Malah wie auch Nihlathak brauchen einen Erfolg, um nicht an Macht zu verlieren nach der Vorstellung des Meisters heute Morgen.

Dostrian, wofür ich ihn in diesem Moment bewundere, kann man immer noch fast keine Emotion in der Stimme nachweisen.
"Wovon redest du überhaupt, Neflum? Niemand hat dich in irgendeiner Weise verraten! Wir wollen für ein paar Minuten mit dir reden, warum behandelst du uns wie Todfeinde?"
Der Meister hatte sich schon halb abgewandt, jetzt fährt er wieder herum. "Wenn du dich erinnerst, du Made - jemand hat Valtores von unseren kleinen privaten Unterrichtsstunden erzählt. Das hat meine Pläne gewaltig umgeworfen und aufs Schlimmste in Gefahr gebracht. Ich habe keine Ahnung, welchen positiven Effekt du dir dabei erhofft hast, außer natürlich deine Nase noch tiefer in das meisterliche Arschloch schieben zu können, aber was ich weiß ist, dass ich dich in Zukunft so fern wie möglich von mir halten werde! Du kannst dich wirklich glücklich schätzen, dass hier wider erwarten doch so etwas wie Zivilisation herrscht, sonst könnten dich deine wertlosen Freunde schon längst von den Wänden putzen. Verrotte in einem Verlies oder so und lass mich in Ruhe."
Und damit lässt er die Novizen endgültig zurück, die unter wenig Protest von den Barbaren abgeführt werden.
"Du hast dir in den Kopf gesetzt...dass Dostrian dich verraten hat...und das alles nur deswegen?", flüstert Lixt, genug hörbar auch wenn man nicht ich ist, aber der Meister ist taub für sie. Und ich kann mich immer noch nicht bewegen.
Während der Großteil der noch verbliebenen Barbaren sich gerne von Larzuk einspannen lässt, um die Metallteile zu verräumen, tritt Malah für ein Vieraugengespräch zum Meister. "Du bist dir natürlich relativ sicher, dass sie nicht für Emunds Tod verantwortlich sind", bemerkt sie missbilligend.
"Die? Nie im Leben, das sind ekelhafte Gutmenschen. Hunradil vielleicht, aber der ist dafür viel zu blöd. Nein, ich wollte sie aus dem Weg haben, und das nutzt, wie gesagt, uns beiden. Wenn du sie einfach hinter Gittern hältst, bis Baal tot ist, bin ich schon glücklich."
"Ich werde dafür sorgen, dass es ihnen gut geht, und die Wunden des armen Jungen versorgen", funkelt Malah den Meister an. Dieser bemerkt die Spitze natürlich nicht oder ignoriert sie. Stattdessen spricht er an, weswegen er überhaupt vorzeitig in die Stadt gekommen ist. "Ich müsste mit Anya reden, wo finde ich sie?"
"Das wüsste ich selbst gerne, General. Sie ist seit heute Morgen verschwunden."
Sein Kopf fährt herum, aber nicht zu Malah, sondern in die Richtung, die ihm schon nach dem Aufwachen so wichtig war. Sein Mund verzieht sich zur Grimasse.
"Wo ist Nihlathak?"
"Auch den habe ich..."
Malah verstummt.
"Was weißt du, was ich nicht weiß?", stößt sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Oh-oh...

Der Meister reibt sich die Hände. "So Einiges. Aber das Relevante im Moment ist, dass ich auf Ältestenjagd gehen werde, und du wirst mir dabei nur zu gerne helfen, Malah."


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