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Ich denke, also bin ich

von Simon Salzl aka TwinYawgmoth

Teil 5 - Trang Ouls Triumph

Kapitel 30 - die Geisel des Ältesten

Ich bin im Epizentrum von geschätzt zehn Blitzschlägen. Es ist schwer zu beurteilen, da ich mir meiner Sinne nicht besonders sicher bin. Wie einen Schwall aus abwechselnd eiskalter und glühend heißer Säure spüre ich die Elektrizität über mich hereinbrechen, von meinen Extremitäten und dem Kopf an bis hinunter in die Füße, wo sie sich vermutlich in dem überfrorenem Boden entlädt. Das Gefühl ist wirklich nicht angenehm. Meine Sicht verschwimmt, als wäre die Magie, welche sie mir verleiht, kurzzeitig überlastet. Ebenfalls habe ich das Gefühl in meiner...Haut...verloren, bin auf das leitende Metallskelett reduziert, meine Ton- und Feueranteile existieren nicht. Aber ich glaube, sie sind noch an mir dran.
So bin ich auch sehr unsicher auf dem Sohlen. Meine Bewegungen sind klobig, weil ich instinktiv überrascht bin, wie schwer meine Arme und Beine sind, obwohl sie sich doch so schlank anfühlen. Eher zufällig stolpere ich aus der Barrage, gleichzeitig endet sie aber auch, da die Blitzschläge von den Seelen nicht konstant aufrecht erhalten werden können. Gah.
Allerdings...das war schmerzhaft, aber eigentlich nicht lebensbedrohlich! Und das Problem sollte sich eigentlich bald ohnehin in Luft auflösen. Die Magier feuern eine konzentrierte Salve, und ein weiterer Angreifer vergeht.
Da konzentriert sich die Antwort auf unsere Fernkämpfer statt auf mich...und der Meister hat sie nicht besonders weit auseinander gezogen. Die Blitze fahren in die Knochen, und überraschenderweise dringen sie hinein statt harmlos vorbei zu gehen, die Skelette zucken unkontrolliert, es knirscht, staubt und sie sind zerstört.
Nach diesem Gegenschlag verschwimmen die Seelen wieder, reduziert auf schwer zu erkennendes Luftflimmern, und zischen hin und her. Mein Blickfokus tut das gleiche, aber ich verliere sie immer wieder aus den Augen...sie scheinen aber konstant auf der anderen Flussseite zu bleiben, und wir haben nur noch mich, um dorthin feuern zu können!

Dann tu es doch, um Diablos Willen!

Bin doch schon dabei! Aus jeder meiner Hände fliegt ein Feuerball, und immerhin einer trifft, zerstört die Seele aber nicht sofort. Sie wird aber sichtbar, hält inne...und ein Knochenspeer vernichtet sie.
Ein halbes Dutzend Blitze schlägt in den Meister ein. Es fegt ihn glatt von den Beinen, er schlittert über den Boden, fast in das eiskalte Wasser, aber er fängt sich an einem Stalagmiten. Zieht sich wieder hoch, die Zähne zusammengebissen...etwas unsicher auf den Beinen. Er zaubert seine Knochenrüstung neu, die ihn offenbar vor dem schlimmsten geschützt hat. Die Seelen arrangieren sich neu. Ich zerstöre eine weitere. Aber ich bin zu langsam. Wenn er zu oft getroffen wird...!
...Moment. Wenn er ein Schwert in den Magen bekommt, stirbt er. Wenn ihn eine Axt köpft, auch. Die Blitze hingegen...
Mein nächster Feuerball geht knapp daneben.

Soll ich das Zielen übernehmen?

Sie bewegen sich ein wenig unberechenbar!
Der Meister gestikuliert in die vage Richtung der Angreifer. "Jetzt beweg dich! Wenn du zu blöd zum Feuerwerfen bist, dann mach es per Hand!"
"Ich geb mir alle Mühe!", lüge ich. Dem Befehl folgend stürme ich auf die nächste Seele zu...und rutsche auf dem Eis an ihr vorbei.

Was machst du da?

Die Seele gibt einen weiteren Schuss auf den Meister ab. Seine Knochenrüstung wird kurzzeitig undurchsichtig, als die Elektrizität sich auf ihr verteilt...dann bricht sie, fährt in seine Metallrüstung und er zuckt unkontrolliert, als seine Muskeln sich verkrampfen. Meine Klaue zerreißt das Ektoplasma. Zu langsam!
Der Meister hält sich gerade noch auf den Beinen...und bei Bewusstsein.
Die nächsten Seelen sind auf der anderen Seite des Flusses...aber manche sind uns näher gekommen als gut für sie ist. Gegen die am anderen Ufer kann ich nichts tun...

Warum nicht? Wir machen das Feuer aus, schwimmen hindurch und entfachen es wieder! Sonst kommst du doch auf die einfachen Lösungen?

Wir sind schneller bei diesen Seelen.

Aber sie sind schneller beim...

Plötzlich gruppieren sich drei von ihnen um den Meister. Möchten sie ihn...kann er das überleben?

Stell keine sinnlosen Fragen, mach was!

Ich laufe voran, lasse einen kleinen Flammenkegel los und zerstöre die Seele, die mir am nächsten ist. Die Luft beginnt wieder zu knistern...

Wir haben noch Zeit für die anderen beiden!

Nein...haben wir nicht.

Bist du des...
Oh.
Oh, jetzt verstehe ich.
Du willst, dass er durch die Blitze bewusstlos wird...und dann?

Kann er endlich diese infernalische Rüstung ablegen!

Das werde ich nicht zulassen!

Ich verschränke die Arme.
Und wie du das wirst!

Du vergisst eine Sache...

Meine Arme entschränken sich. Nein! Ich gebe dir keine Kontrolle!

...aber unser Körper entspricht absolut meinem altem. Es passt...wie ein Handschuh.

Der Zweite hebt die Arme, lädt Feuerbälle in die Handflächen. Wenn er sie jetzt abfeuert, kann er die Seelen aufhalten. Und meine Chance...vielleicht meine letzte...ist vertan!
Du wirst mir sie nicht nehmen!

Versuch doch, mich aufzuhalten...

Nur ein Versuch?
Ich balle die Fäuste. Die Feuerbälle verschwinden.
Mein Körper. Meine Regeln. Mein Leben.

Unmöglich!

Wir töten die Seelen nachdem sie den Meister...
Dessen Arme schießen nach oben. Aus jedem löst sich einer seiner eigenen Feuerbälle, und die Seelen vergehen.
Nein...!

Ha!

Aber es gibt noch die Seelen am anderen Ufer!
"Was stehst du so rum...", krächzt der Meister dunkel.
Ich war zu lange geschockt davon, dass der Meister sich retten konnte; der Zweite entreißt mir die Kontrolle über die Stimme.
"Meister, es gibt noch Gegner dort drüben!"
Er stolpert einen Schritt auf mich zu. Fällt fast um, aber packt mich stattdessen an den Schultern.
Will er mich in die Schussbahn drängen? Aber...ich leite!
Er zieht mich ganz nah an sich heran, sodass ich sehen kann, wie in seinem Gesicht durch die Blitzschläge mehrere Adern geplatzt sind. "Ich weiß", spuckt er.
Die Nahkampfskelette, welche er offenbar schon zu Beginn des Kampfes losgeschickt hatte, brechen aus den Fluten des eisigen Flusses hervor und überraschend die Seelen gegenüber von uns; sie werden vernichtet, bevor sie etwas tun können.
Ich spüre, wie eine Verzweiflung mich packt, die kälter ist als die Umgebung hier je sein könnte.
"Keine brilliante Vorstellung von dir", brummt der Meister.
"Ich habe im Sumpf schon einmal gegen diese Gegner gekämpft", entschuldige ich mich lahm. "Sie sind enorm gefährlich."
"Dann hättest du wissen sollen, was zu tun ist."
Wenn der Zweite ihm jetzt verrät, was ich vorhatte...

Ich werde mich hüten. Deine Narretei fällt genauso auf mich zurück, solange wir uns diesen Körper noch teilen...

Planst du, etwas daran zu ändern?

Ich nicht. Der Meister schon.

Wir begegnen bald einem weiterem Seelennest, aber ich versuche nicht erneut, den Meister betäuben zu lassen; der Zweite, das spüre ich, ist auch hochkonzentriert und sofort bereit, mich aufzuhalten. Offenbar könnte ich ihn durchaus abschütteln, aber dann kann ich sonst nichts tun. Und wie ich längst weiß, ist der Meister absolut hervorragend darin, eine einmal überstandene Situation beim zweiten Mal ohne Probleme zu meistern.
Das ist auch jetzt der Fall. Die Seelen überraschen uns nicht einmal, er zielt selbst mit auf sie und selbst ohne Magier - da wir ja keine Leichen zur Verfügung haben - sind sie vernichtet, bevor sie auch nur einen Blitz auf ihn landen.
Und so erreichen wir ohne größeren Aufwand das offenbare Ziel unserer Reise.
"Herzlich willkommen", grüßt Nihlathak jovial. Er lehnt mit verschränkten Armen an einem Eisblock, der schlank vom Boden aufragt, auf einer größeren Insel im Fluss, die man über eine recht enge natürlich gewachsene Felsbrücke erreicht.
Es stößt mir seltsam sauer auf, dass der Meister tatsächlich Recht hatte.
"Sehr erfreut", gibt dieser müde zurück. "Wie lange möchtest du Nettigkeiten austauschen, bis wir zum Punkt kommen? Hast du Kaffee vorbereitet?"
"Ich hatte gehofft, du würdest dir Wasser dafür von den Seelenblitzen vorheizen lassen, General. Zu schade, dass du letztlich nur lauwarm hier ankommst."
"Einen solchen Empfang bin ich ja gewohnt. Also noch einmal...wir wissen beide, was wir voneinander wollen, nicht wahr? Aber ich sehe, du warst noch nicht einmal anständig genug, deinen Teil mitzunehmen."
Nihlathak wackelt mit dem Finger. "Ah, aber dann wäre ich doch närrisch, nicht wahr? Könntest du mich doch einfach ermorden und dich damit davon machen. Stattdessen bin ich schlau und warte auf deinen Beitrag, den du natürlich erbringst, sonst würdest du es ja gar nicht so weit schaffen. All deine Macht ist doch nur geliehen - es wird Zeit, dass sie ihren rechtmäßigen Besitzer erhält."
"Es wird Zeit, dass sie vervollständigt wird, wohl eher..."
"Himmel, geht ihr beide mir auf den Geist!", rufe ich dazwischen. "Und ignoriert natürlich vollkommen das eigentlich Wichtige hier! Nihlathak, stimmt es denn wirklich, dass du Emund umgebracht hast?"
Er runzelt die Stirn in meine Richtung. "Ja, natürlich. Eigentlich ist es ja deine Schuld. Ich weiß nicht, wie du es gemacht hast, aber irgendwie hast du einen mir loyalen Untergebenen in nur zwei Tagen dazu gebracht, mich zu verraten. Baal weiß, dass es nicht das Charisma deines Meisters gewesen sein kann, das ihn umgestimmt hat."
Meine Miene entgleitet in Zorn. "Du kolossaler Bastard! Nur, weil er mir verraten hätte, dass du die ganze Zeit einzig an Trang-Ouls Avatar interessiert warst? Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich sie dir persönlich vorbeigebracht!"
"Eine seltsame Einstellung, du wirst verstehen, dass ich damit nicht rechnen konnte."
Der Meister wirft mir einen eisigen Blick und ein Kopfschütteln zu. "Wenn du schon so viel Angst hast vor der Macht des Sets, dann wirst du dir sicher eingestehen müssen, dass es in seinen Händen nicht wirklich besser aufgehoben wäre, Dorelem."
"Dann hätte ich wenigstens meinen Freund wieder!", eise ich zurück.
"Könntet ihr beide den Ehekrieg auf später verlegen, bitte? Ich versuche hier zu verhandeln!", beschwert sich Nihlathak.
"Verhandel hiermit, Mörder!", spucke ich, und werfe einen Feuerball direkt in sein Gesicht. Hastig duckt der Älteste sich und das Geschoss sprengt nur den obersten Teil der Eissäule hinter ihm ab. "Oh zur Hölle, das war knapp!", ruft er. "Nun schau, was du fast getan hättest!"
Die Hoffnung des Meisters auf Trang-Ouls Flügel zerstört!

Sei nicht dumm. Er kann doch spüren, wo die versteckt sind.

Aber was Nihlathak in Wirklichkeit meint...er tritt zur Seite und zeigt uns, was die Säule in Wirklichkeit ist.
Es ist ein Eisgefängnis, und darin ist Anya eingefroren. Ich habe ihren Kopf nur um wenige Zentimeter verfehlt, weil der Älteste größer ist als sie. Durch die unregelmäßige Linse des Frosts ist ihr Gesicht grotesk verzerrt, und doch erkenne ich darauf die Angst, Verzweiflung und das Bewusstsein, verraten worden zu sein.
Nihlathak hebt abwehrend die Hände. "Ich weiß, was ihr jetzt denkt, aber sie lebt noch, keine Sorge. In Eismagie bin ich ausgezeichnet. Ihr passiert nichts außer eine leichte Unterkühlung, solange ihr tut, was ich sage."
"Und das ist, sich hier ohne Rüstung den Elementen preiszugeben, nehme ich an?", ätzt der Meister.
"Ist doch schön, so schnell zu einer Einigung gekommen zu sein", ölt Nihlathak. "Darf ich also bitten?"
"Würdest du mir noch eine Frage beantworten?", fragt der Meister höflich. Was hat er vor?
"Dir wird schneller kalt als mir, aber halte es trotzdem kurz."
"Wo hast du den Schrumpfkopf gefunden? Wie alle Barbaren wirkst du mir nicht wie jemand, der viel herumreist."
"Ich würde mein geliebtes Harrogath auch ungern verlassen! Trang-Ouls Flügel waren schon immer hier, warum hättest du etwas anderes erwartet?"
"Weil Falarom..."
Der Meister unterbricht sich. Wer zur Hölle ist Falarom?
"...da war er wohl ebenfalls heimatverbunden, der verdammte...", murmelt der Meister weiter. Nihlathak blickt so verwirrt wie ich, also ist er in dieser Hinsicht keine Hilfe. Was er mir aber durchaus beantworten kann...
"Was du getan hast, wirkt aber wirklich nicht so, als würdest du Harrogath lieben."
"All mein Tun war nur für Harrogath!", donnert Nihlathak. "Wenn schon nicht die Menschen, dann wenigstens die Stadt!"
"Ach, und den Avatar an dich zu reißen hilft der Stadt wie genau?"
"Mein Streben danach ist rein glücklicher Zufall", winkt Nihlathak ab. "Wärst du nicht gekommen, General, hätte mich die Last meiner Verbrechen auf die Dauer erdrückt. So hingegen kann ich mein rechtmäßiges Erbe antreten und überleben!"
"Das Erbe des ersten Generals? Du? Dass ich nicht lache. Diese Ehre ist ganz allein mein, deine Verbrechen mögen dich zermalmen!"
"Was könnte denn ein schlimmeres Verbrechen sein als der Mord an Emund und Anyas Entführung?", werfe ich ein.
"Denkst du, die anderen Ältesten haben sich freiwillig geopfert, um den Schutzschirm im richtigen Moment zu senken?"
"Du warst das?"
Der Meister legt den Kopf schief in was definitiv ein "also wirklich" Blick ist.
"Und du hast das gewusst?", klage ich ihn an.
"Aber natürlich", zuckt er mit den Schultern. "Der letzte Überlebende dieses grauenhaften 'Unfalls', jetzt in einzigartiger Machtposition? Ich bitte dich."
Und du hast das natürlich auch gewusst?

Geahnt, würde ich sagen. Überraschend ist es nicht.

Ich fahre ein Feuerschwert aus. "All diese Morde...nur damit du die Führung von Harrogath an dich reißen konntest? Einem winzigen Nest am wortwörtlichen Ende der Welt?"
"Meine Heimat!", donnert Nihlathak. "Für die morde ich auch. Ob es nun wilde Dämonen sind oder meine kurzsichtigen Mitältesten! Denkst du, das habe ich gerne gemacht? Niemals hätte der Schutzschirm gehalten! Baal hätte uns in kürzester Zeit überrannt! Die Schwachstellen der Barriere waren offensichtlich - ich muss es wissen, ich habe sie ausgenutzt, um die Rückkopplung auszulösen, die die anderen getötet hat!" Er reibt sich die Schulter. "Nicht ohne gewisses Risiko für mein eigenes Leben, möchte ich hinzufügen."
"Wie zur Hölle soll die Vernichtung des einzigen Schutzes von Harrogath dabei geholfen haben, die Stadt zu retten?"
"Harrogath steht noch, oder?"
Das bringt mich kurz zum Schweigen.
"Du hast wirklich versucht, in die Fußstapfen des Generals zu treten, nicht wahr?", überlegt der Meister laut. "Und einen Pakt mit Baal geschlossen!"
Nihlathak nickt knapp. "Er verschont die Stadt und bekommt dafür freien Zugang zum Weltstein. Sobald er mit ihm gemacht hat, was auch immer er vorhat, ist es in seinem besten Interesse, Harrogath auch weiter bestehen zu lassen - wir werden wie üblich unsere Aufgabe erfüllen und den Zugang zum Arreat beschützen. Für wen, ist doch letztlich egal."
"Der Schutz des heiligen Bergs ist doch kein Selbstzweck!", klage ich an.
"Ach? Du hast doch keine Ahnung, wovon du redest! Hättest du die anderen Ältesten noch erleben können...es sind doch alles nur Floskeln geworden! Wir schützen den Berg, bewachen den Aufgang - wozu? Für was? Niemand könnte dir das sagen! Verstockt in ihren Dogmen sind sie geworden, ohne auch nur darüber nachzudenken, was die Wirklichkeit außerhalb ihrer kleinen Stadt bereit hält! Um jeden Preis hätten sie die Front halten wollen - zwei Tage noch, dann wäre Harrogath dem Erdboden gleich gemacht worden, sie hätten den höchsten Preis gezahlt, und wozu? Sinnlos, sinnlos! Sie waren die wahren Feinde Harrogaths, und ich habe die richtige Entscheidung getroffen."
"Nur dass wir jetzt hier sind und Baal auch am Fuße des Berges ohne Probleme hätten vernichten können. Leichter sogar als jetzt den Berg hochhechten zu müssen", bemerkt der Meister.
"Vielleicht mit dem vollen Avatar. Aber da nicht du den hast, sondern ich ihn gleich besitzen werde...ich stelle übrigens fest, dass du immer noch nicht nackt bist."
"Es ist kalt hier. Besonders nach dieser langen und bemerkenswert sinnlosen Unterhaltung. Wobei ich glaube, dass sie zumindest den Zweck hatte, meinen Golem mit dem Herz aus Schmelzkäse nachhaltig gegen dich aufzubringen. Würdest du ihm bitte nun ein Flammenschwert in den Hintern schieben?"
Ich fahre selbiges aus. "Mit geringsten Hemmungen."
"Vergisst du da nicht etwas, General?", höhnt Nihlathak und deutet mit großer Geste auf Anya in ihrem Eisgefängnis. "Einen Schritt nach vorne, Dorelem, und sie stirbt darin."
Mein Schwert verschwindet.
Der Meister gibt mir einen heftigen Schlag in den Nacken, der richtig zieht.
"Lass dein Schwert da, Dorelem." Es taucht wieder auf.
"Du bist ein schöner Held, General!", ätzt Nihlathak. "Willst du wirklich ihr junges Leben gegen mein altes, wertloses tauschen?"
"Ich bin kein Held, Ältester. Greif ihn an, Dorelem!"
"Du würdest Anya nicht opfern!", keucht Nihlathak. Nein, würde ich nicht!
Aber ich beginne, mich vorwärts zu bewegen. "Ich kann nichts tun, Nihlathak!", rufe ich mit Panik in der Stimme. Anya! "Sein Befehl zwingt mich!"
Der Älteste starrt den Meister an. "Du bist wirklich gewillt, das Erbe des alten Generals anzutreten..."
"Über deine Leiche, die von Anya, und auch noch den Rest deines stinkenden Drecksdorfs am Arsch der Welt!"
Ich bin schon über die halbe Brücke vorgerückt. Mit äußester Anstrengung zwinge ich mich zu einem möglichst langsamen Gang, ständig kurz davor in Agonie zu versinken, in derem Nebel ich mich auf Nihlathak stürzen würde und Anya dabei töten.
Sein Blick schießt zwischen mir und Anya hin und her. Er wird wehmütig, als er in die offen eingefrorenen Augen der jungen Frau fällt. Und schüttelt er den Kopf.
"Dann versucht doch, sie aufzutauen! Wenn du das hier überlebst, General...dann finde mich und versuch doch, dir den Schrumpfkopf zu holen!"
Mit einer Geste öffnet er ein rotes Portal.
"Bring ihn um, Dorelem!", brüllt der Meister. "Schnell!"
Ich haste nach vorne, jetzt ebenfalls mehr als bereit, ihn aufzuhalten, aber da stolpere ich über ein ungesehenes Loch im Boden, als würde dieser sich unter mir aufbäumen. Der Älteste ist hindurch, das Portal verschwindet, und ich bin allein mit Anya auf der Insel im eiskalten Fluss.
Anya!
Ich stemme mich hoch, aber meine Hand versinkt im...weichen...Fell?
Mit einem gewaltigen Brüllen explodiert etwas unter mir, schleudert mich nach oben, und bevor ich wieder landen kann, erwischt mich ein gewaltiger Arm, und nur einen halben Meter am Meister vorbei fliege ich, bis eine Wand meinen Flug bremst. Eissplitter landen auf mir, als ich hinfalle. Mein Metallskelett knarzt, als ich es wieder geradezubiegen versuche.
Die Insel ist vor kurzem ausgehöhlt worden, nur ein kleiner Rand aus Fels und Eis hält noch das Wasser davon ab, in das Becken zu fließen. Darin hatten sich bis gerade eben schneeweiße Ungeheuer zusammengerollt, die sich nun eines nach dem anderen entfalten. Sie erinnern mich stark an Gargantuas, bis auf die Fellfarbe; ein weiteres Monster, das Baal nur von seinen Brüdern kopiert hat. Schultern breiter als sie hoch sind - und das ist schon über zwei Meter - der Kopf irgendwo mitten in diesem Muskelwulst verortet, und Pranken gut dreimal so groß wie der winzige Schädel.
"Na großartig, auch das noch. Färbe sie auf rot und schwarz um, ja?"
"Du kannst es ja einmal versuchen, Golem", knurrt eines der Monster. Er ist noch ein wenig massiver als die anderen und sein Fell glänzt in unnatürlichem Blauschimmer.
"Warte kurz", hebt der Meister die Hand. "Mit wem haben wir denn hier die Ehre?"
"Ich bin Froststein", erklärt der Held. "Ich werde dir den Kopf abschrauben und aus deiner Metalldose trinken."
"Lieblich", gibt der Meister zurück. "Ich werde dann mal wieder meinen Golem auf dich hetzen."
"Moment", unterbreche ich jetzt. "Hat dich Nihlathak wirklich gerade gezwungen, bis nach unserem...Gespräch als Fußabstreifer zu dienen? Das kann dir nicht gefallen haben."
"Hat es nicht", gibt der Gigant zu.
"Zwingt dich Baal etwa, mit ihm zusammenzuarbeiten? Weil Nihlathak zumindest im Moment euer Verbündeter ist?"
"Ich stelle keine Fragen."
"Ja, aber pass auf", erkläre ich mit großer Geste, als ich etwas näher herantrete - falls das hier schief läuft, muss ich zwischen ihm und dem Meister stehen. "Zwei Dinge. Erstens, Baal wird Nihlathak ohnehin bald verraten, das muss dir auch klar sein. Sobald Baal den Weltstein hat, wird er alle Menschen hier töten, und wenn es nur aus Prinzip ist. Das würdest du doch auch tun, oder? Alle umbringen?"
"Höhöhö, ja!"
"Eben. Und zweitens: wir sind viel stärker als du. Ehrlich, wir haben es bis jetzt geschafft, nicht von Monstern getötet zu werden, die dreimal so groß und stark sind wie du. Du hast keine Chance gegen uns. Aber das macht nichts! Wir wollen hier nur durch, mit einem menschlichen Eiszapfen im Gepäck, am Ende des Flusses muss ein Aufgang sein. Und dann holen wir uns Nihlathak. Den Baal ohnehin töten wird."
Froststein kratzt sich am Kinn. "Ich weiß nicht, ob ich das einfach so..."
"Nihlathak ist auf dir rumgetrampelt!"
"Ja, das ist er...", murmelt die Bestie. Ich kann die Gedanken förmlich durch seine Hirnwindungen kriechen sehen...
"Um Himmels Willen, Dorelem, jetzt bring ihn doch einfach um!", ruft da der Meister dazwischen. Ich erstarre.
"Sehr wohl, Meister!", antwortet der Zweite fröhlich, entreißt mir die Kontrolle und verteilt die Eingeweide von Froststein im Raum.


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